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Was “Impact Investing” bewirkt – Im Interview mit Jörg Geier

Impact Investing bedeutet Geld sinnstiftend und gemeinwohlorientiert zu nutzen

Ein Beitrag zum Thema Impact Investing ist bei NEON erschienen. Das nachfolgende Interview basiert auf dem Beitrag und vertieft einzelne Themenpunkte. Es wurde von Katharina Viktoria Weiß, Autorin des NEON-Beitrags, mit Jörg Geier, einem der Zitategeber des NEON-Beitrags geführt.

ScreenShot Neon-Magazin
Screenshot Neon-Magazin / Impact Investing will die Wirtschaft sozialer machen /mit Bild von ©Emojipedia; Charles Guerin Picture Alliance

Katharina Viktoria Weiß ist eine in Berlin lebende Autorin und Journalistin, die unter anderem für die Berliner Morgenpost über das Hauptstadtleben berichtet und als Chefredakteurin des MYP Magazines politische Popkultur porträtiert.

Jörg Geiers Wirkungsfeld deckt unterschiedliche Tätigkeiten und Formate im Bereich der Nachhaltigkeitsinnovationen ab, u.a. im Rahmen seiner Mitgliedschaft beim Club of Rome und von Forschungs- und Beratungstätigkeiten. Er unterstützt Lucid. Berlin, eine digitale Strategie- und Kommunikationsagentur für Purpose-orientierte Organisationen und entwickelt Trainingsprogramme zum Thema Impact Investing.

Zunächst einmal kurz zum Begriff Impact Investing und was dieser bedeutet:

Das Impact Investing konzentriert sich auf Investitionen, z.B. in Start-ups und Organisationen, die darauf abzielen, neben der Erwirtschaftung eines Profits auch einen sozialen oder ökologischen Nutzen zu erzielen. Im Vordergrund steht hierbei die Wirkungsorientierung der Investitionsmodelle. Die Bandbreite an Impact Investoren ist recht groß. Sie reicht von Gemeinwohl orientierten Stiftungen, die mehr Eigenverantwortung und Sozialunternehmertum fördern möchten bis hin zu Privatinvestoren, denen gesellschaftliche und ökologische Belange am Herzen liegen. Was die unterschiedlichen Investorengruppen eint, ist die Lösung von Problemen durch unternehmerische Ansätze.

Wie bist Du auf das Thema „Impact Investing“ aufmerksam geworden?

Jörg Geier: Seit vielen Jahren schon beschäftige ich mich auf unterschiedliche Arten mit ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen – zunächst im Rahmen des Club of Rome, einem Think-Tank, der sich mit Zukunftsfragen beschäftigt; später dann in Forschungseinrichtungen und in der Wirtschaft. Hierbei wurde mir zunehmend bewusst, dass wir die großen Probleme unserer Zeit durch staatliche Interventionen (wie neue Vorschriften und Förderpakete) oder zivilgesellschaftliches bzw. ehrenamtliches Engagement alleine nicht lösen können. Stattdessen müssen wir wirtschaftliche Mechanismen grundsätzlicher verändern, so dass die Gesellschaft nicht das ausbaden muss, was zuvor durch falsche Anreize schiefgelaufen ist. Ein aktuelles Beispiel: Obwohl die durch Plastikverpackungen verursachten Probleme medial gerade sehr präsent sind, ist die Müllflut in den Weltmeeren nicht neu. Im Rahmen eines integrierten Ansatzes sollten Anreize geschaffen werden, um Plastikmüll durch alternative Produkte oder eine Kreislaufwirtschaft zu vermeiden. Hier – und in vielen anderen Feldern – kann Impact Investing eine wichtige Rolle spielen, indem nur gefördert wird, was Mensch und Natur in Produktinnovationen mit einbezieht. So wird die Handlungsfreiheit des Marktes nicht außer Kraft gesetzt, sondern ganz im Gegenteil: Es werden gezielt Marktmechanismen genutzt, um Konsum sozial und ökologisch verträglicher zu gestalten.

Mit welchen Themen hast Du dich in San Francisco beschäftigt?

Jörg Geier: Am Miller Center for Social Entrepreneurship der Santa Clara University initiierte ich die Entwicklung eines Trainingsprogramms zum Thema Impact Investing. Das Programm hatte zum Ziel, unterschiedliche Arten potentieller Investoren wie Stiftungen, Privatvermögende oder institutionelle Investoren darauf aufmerksam zu machen, welcher gesellschaftliche Nutzen mit den „richtigen“ Investitionen erzeugt werden kann. Richtig heißt in diesem Zusammenhang, nicht nur einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften, sondern Innovationen zu fördern, die unsere Welt im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen besser machen.

Welchen Stellenwert hat Impact Investing in den USA?

Jörg Geier: Immer mehr Investoren möchten neue Kundengruppen erreichen, u.a. die sog. Millennials, die einen größeren Wert auf die nachhaltige Wirkung von Investitionen auf die Gesellschaft legen. Das betrifft sowohl direkte Investments in Firmen via z.B. Crowdfunding oder Investitionen in Start-ups wie auch die Zusammenstellung von Anlageportfolios, die sich aus unterschiedlichen Finanzinstrumenten wie z.B. Aktien zusammensetzen. Auch institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen schaffen zunehmend Anlagemöglichkeiten, die bestimmten Wirkungskriterien gerecht werden. Zwar sind wir – sowohl in Europa wie auch den USA – noch weit davon entfernt, wirklich nennenswerte Beträge in nachhaltige Projekte und Firmen zu investieren. Aber aller Anfang ist schwer und wir bewegen uns langsam in die richtige Richtung. Auch die sog. „Divestment-Bewegung“, der Rückzug großer institutionellen Anlegern aus dem Öl- und Gasgeschäft wie dem norwegischen Staatsfonds, der ironischerweise durch Norwegens Öl- und Gaserträge gespeist wird, ist ein Beweis dafür, dass ein Umdenken eingesetzt hat.

Mit Blick auf USA versus Deutschland, wie unterscheiden sich die Märkte und die Mentalitäten?

Jörg Geier: In den USA ist auf der einen Seite das Verständnis von der Rolle des Staates ein anderes. Während wir uns in Deutschland oftmals auf „Vater Staat“ verlassen, nehmen Amerikaner das Heft gerne selber in die Hand. Das betrifft zum Teil auch die Art und Weise wie insbesondere Privatinvestoren ihr Geld in Start-ups generell investieren. Daher verwundert es nicht, dass die Impact-Investing-Bewegung mit Toniic aus Kalifornien und GIIN aus London insbesondere aus den angelsächsischen Ländern heraus angetrieben wird. GIIN ist ein wichtiges Netzwerk, was vor allem institutionelle Impact-Investoren vereint. Dagegen wendet sich Toniic an Business-Angels, Privatvermögende, Family-Offices und Familienstiftungen. Auch spielen kulturelle Gründe eine entscheidende Rolle. Gemeinhin sind wir Deutschen eben doch risikoaverser und investieren unser Geld weniger in neue Unternehmen oder Projekte – ob mit oder ohne Impact-Fokus.

Was haben gemeinnützige Vereine wie der Club of Rome mit Impact Investing zu tun?

Jörg Geier: Auch der Club of Rome, bei dem ich als Mitglied engagiert bin, hat erkannt, dass der Kapitalmarkt ein großer Hebel im Privatsektor ist, mit dem auch viel Gutes bewirkt werden kann, insofern Investitionen in eine nachhaltige, sprich ökologisch und sozial verträgliche, Richtung gelenkt werden. Dr. Mariana Bozesan, die die Investmentwende propagiert, organisierte dazu letztes Jahr zusammen mit EBAN (The European Trade Association for Business Angels, Seed Funds and Early Stage Market Players) und anderen Club-of-Rome-Mitgliedern einen Summit zum Thema „Harnessing the Power of Entrepreneurship, Innovation and Investment: People, Planet, and Profit with Passion and Purpose“ frei übersetzt: „Die Kraft von Unternehmertum, Innovationen und Investitionen nutzen: People, Planet und Profit mit Leidenschaft und gutem Zweck“ – s.a. Link.

Die Stadt Berlin oder die katholische Kirche gehören zum Beispiel zu Impact Investoren. Gibt es auch große Firmen, die keinen „moralischen“ Auftrag haben und in dem Bereich tätig werden?

Jörg Geier: Versicherungen haben generell ein großes Interesse daran, dass z.B. der Klimawandel größere Beachtung findet, nicht zuletzt, weil sie die dadurch indirekt verursachten Schäden, wie durch Hurrikane, bezahlen müssen. Daher treiben diese den Impact-Investing-Trend aktiv voran. Auch Banken sehen sich gezwungen zu handeln, weil mehr und mehr Kunden bewusst nachhaltige Investitionsmöglichkeiten fordern. Dennoch sind gerade die großen Banken, abgesehen von sozialen Banken wie der GLS Bank, ins Hintertreffen geraten und bieten oftmals nur Fonds an, die lediglich sehr weichen Impact-Kriterien standhalten. Dass ein positiver ökologischer Impact nicht auf Kosten von Renditeerwartungen gehen muss, zeigt z.B. Anandas Social Venture Fund, der herkömmlichen Investment-Kriterien gerecht werden muss und zusätzlich noch Impact-Kriterien erfüllt.

Welche Qualitäten muss man besitzen um Unternehmen, die zuvor „Irresponsible Investors“ waren, von einem Impact Investing zu überzeugen?

Jörg Geier: Wie so oft hängt auch das notwendige Angebot von einer kritischen Masse an Konsumenten ab. Je mehr Anleger aktiv nachhaltige Produkte nachfragen, desto mehr müssen sich die Anbieter Gedanken darüber machen, wie sie das Angebot befriedigen können. Der Staat kann durch entsprechende Gesetze und Spielregeln dazu beitragen, dass Investoren verstärkt auf einen positiven Gemeinnutzen setzen.

Kannst Du ein detailliertes Beispiel nennen, welches den Fluss des Geldes und die Skalierung des Gewinns erklärt – und vor allen in ein Verhältnis zu gewöhnlichen Investments setzt?

Jörg Geier: Die oben genannte Investment-Firma Ananda Ventures hat schon mehrere Impact-Fonds aufgelegt, was nur möglich ist, weil die Fonds erfolgreich gemanagt wurden. Allerdings habe ich hier keine konkreten Zahlen vorliegen. Toniic nennt in seinem Bericht „T100: Insights from Impact Advisors and Consultants 2017“ zahlreiche Erfolgsbeispiele wie Gelder gewinnbringend und zugleich Impact-orientiert investiert wurden. Das T100-Projekt untermauert, dass soziale oder ökologische Belange nicht zugunsten von Renditezielen geopfert werden müssen und das im Rahmen unterschiedlicher Geldanlagemöglichkeiten.

Gibt es Widersprüche in der Absicht Gutes zu tun durch Philanthropie und Impact Investments?

Jörg Geier: Bei Stiftungen wird der Stiftungszweck dadurch erfüllt, dass dem Zweck entsprechend Fördergelder vergeben werden oder Impact-Investitionen getätigt werden. Ironischerweise wird der Kapitalstock der gleichen Stiftung häufig nicht auf Basis der gleichen Kriterien gemanagt. Ganz im Gegenteil, manche Stiftungen tätigen Investitionen, die einen möglichst hohen Profit erzielen soll, der Stiftungszweck spielt bei den Investitionen jedoch keine Rolle, weil die Investmentmanager unabhängig agieren von den Programmkoordinatoren, die das erwirtschaftete Geld (den Zins) für wohltätige Zwecke ausgeben.

Welche Möglichkeiten stehen dem Otto-Normalverbraucher zur Verfügung am Impact Investing teilzuhaben?

Jörg Geier: Wie Kleinanleger partizipieren können, hängt von den Regelungen des entsprechenden Landes ab. In manchen Ländern gibt es strenge Kriterien, denen Investoren gerecht werden müssen. Z.B. dürfen nicht speziell ausgebildete Investoren nur unter bestimmten Voraussetzungen Gewinne erwirtschaften. Bei Plattformen wie Kiva.org in den USA fließt die Investitionssumme ohne Verzinsung wieder an den Investor zurück. Den größten Hebel haben Kleinanleger dadurch, dass sie bewusst nachhaltige Kapitalanlagen bei ihren Hausbanken nachfragen. Auch können sie die Konzeption neuer Konsumgüter beeinflussen, indem sie z.B. „grüne“ und unter humaneren Arbeitsbedingungen hergestellte Güter bevorzugen, beispielsweise in der Modeindustrie. Das sind zwar keine Investitionen im klassischen Sinne, aber mit unserem Konsumverhalten tragen wir maßgeblich zur Produktgestaltung mit bei.

Nach welchen Kriterien suchen sich Impact Investoren in Deutschland ihre Investitionen aus?

Jörg Geier: Das hängt von vielen Faktoren ab. Stiftungen vergeben ihr Geld i.d.R. auf Basis der Philosophie des Stifters, dem sog. Stiftungszweck. Privatvermögende haben oft eigene Präferenzen, weil ihnen z.B. eher ökologische Belange z.B. erneuerbare Energien oder soziale Kriterien z.B. die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern wie Bangladesch zur Herstellung von Kleidung am Herzen liegen. Das lässt sich nur schwer pauschalisieren. Was die Einteilung der Mittelverwendung anhand von Kriterien angeht, hat beispielsweise Toniic ein Raster veröffentlicht, das die Impact Investments mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verbindet. Hier kann jeder Investor für sich Präferenzen festlegen.

Wie möchtest Du das Impact Investing in Deutschland weiter vorantreiben? Was sind Deine nächsten Schritte?

Jörg Geier: Das oben erwähnte Leadership-Development-Programm, das ich zusammen mit John Kohler (der u.a. auch Toniic mitgründete und das Thema Impact Investing weltweit vermittelt), an der Santa Clara University entwickelt hatte, soll ab 2019 in Deutschland zusammen mit Partnern implementiert werden, um auch hier das Bewusstsein für dieses wichtige Thema weiter zu stärken und Investoren unterschiedlicher Herkunft zu vermitteln.

Darüber hinaus werde ich mich auch weiterhin ganzheitlich im Rahmen unterschiedlicher Impact-Themen engagieren und beratend tätig sein, so dass meine unterschiedlichen Leistungen und Tätigkeiten ineinandergreifen. Bei Lucid, einer Strategie- und Medienagentur mit Sitz in Berlin, entwickeln wir Kommunikationsmaßnahmen und Medien, die lokal bis global nachhaltige Wirkung erzielen. Denn nur systemische Ansätze haben meiner Meinung nach langfristig das Potenzial, Wirtschaft und damit unser Handeln zu verändern.

Für Rückfragen ist Jörg Geier unter joerg.geier@lucid.berlin zu erreichen.

 

Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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