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Energiewende: Volle Kraft voraus mit angezogener Handbremse?

Der gordische Knoten scheint geplatzt. 2024 heißt volle Kraft voraus für die Energiewende. Nach etlichen Manövern scheint es nun für die erneuerbaren Energien kein Halten mehr zu geben. Doch es gibt Entwicklungen, die ihre Schatten voraus werfen.

Bilanz der Energiewende 2023

2023 stieg die installierte Leistung der erneuerbaren Energien laut Bundesnetzagentur um 17 Gigawatt auf eine Gesamtleistung von 170 Gigawatt. Das entsprach im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung um 12 Prozent [Quelle Bundesnetzagentur/ Solarserver]. Schon jetzt gilt 2023 als Rekordjahr für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Anteil der grünen Stromversorgung überschritt die 50 Prozent Marke deutlich.

Zubau bei Solar und Windenergie

Der Solarzubau 2023 nahm so viel Schwung auf, wie lange nicht. Insgesamt rund 14 Gigawatt an Solarleistung wurden allein in Deutschland zugebaut. Mehr als eine Million Solaranlagen laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) installiert. Damit erhöhte sich die Leistung um rund 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rund 3,7 Millionen PV-Anlagen erzeugten im vergangenen Jahr 62 Milliarden Kilowattstunden Solarstrom und deckten damit rund 12 Prozent des deutschen Stromverbrauchs [Quelle BSW Solar e.V.].

In Europa schritt der Solarzubau ebenfalls kräftig voran. Geschätzt wird der Zubau für 2023 auf 56 Gigawatt. Nach Deutschland haben Spanien, Italien, Polen, die Niederlande und Frankreich kräftig in Solar investiert [Quelle SolarPower Europe]. Weltweit hat die Solarenergiebranche einen Zuwachs von aktuell geschätzt 413 Gigawatt zu verzeichnen [Quelle BloombergNEF/ PV Magazine].

Nicht ganz so rosig sah es 2023 bei der Windkraft aus. Immerhin wurde ein Zubau an Land von 2,9 Gigawatt in Deutschland erreicht. Die installierte Gesamtleistung beträgt derzeit 60,9 Gigawatt [Quelle Bundesnetzagentur / Solarserver]. Doch auch hier stehen die Zeichen für das kommende Jahr besser als all die Jahre zuvor. Zahlreiche Projekte warten auf ihre Genehmigung, befinden sich in Planung oder kurz vor der Inbetriebnahme.

Ausblick auf das Jahr 2024

Fallen weitere politisch-administrative Hürden und gelingt die Verabschiedung wichtiger gesetzlicher Regulierungen, könnten die Marktkräfte der Solar- und Windenergiebranche weiter Fahrt aufnehmen und 2024 das bislang beste Jahr für die erneuerbaren Energien werden. Dafür sprechen die technologische Reife, sinkende Kosten durch Skalierungseffekte, private und öffentliche Investitionsentscheidungen und vieles mehr.

So planten laut Bundesverband Solarwirtschaft mehr als 1,5 Millionen private Eigentümer:innen von Wohnimmobilien die Anschaffung einer Solaranlage in den kommenden 12 Monaten. Werden weitere Flächen erschlossen und nimmt der Zubau auch bei Gewerbeimmobilien und Nicht-Wohngebäuden zu, dürfte sich der Ausbau in Deutschland weiter beschleunigen.

Doch es gibt auch Risiken. Eine angespannte gesellschaftspolitische Lage wirft Schatten über zu viel Optimismus. Derzeit breiten sich gesellschaftliche Strömungen mit starker Tendenz nach rechts im Land aus. Ihre Einflussnahme ist unübersehbar. Gewinnen sie weiterhin an politischer Macht, könnte sich im Zuge dessen ein rauer Gegenwind gegen die Erneuerbaren formieren. Nicht zuletzt wird der Ausgang der Landtagswahlen in diesem Jahr in Thüringen, Brandenburg und Sachsen darüber entscheiden, wie es mit der Energiewende in diesen Bundesländern weitergeht.

Hinzu kommen wirtschaftliche Beeinträchtigungen und ein verlangsamtes Wachstum, was sich negativ auf Investitionsentscheidungen auswirken könnte. Gleichzeitig stellen sich Systemfragen und muss der Umbau des Energiesystems weiter vorangetrieben werden. Das betrifft insbesondere die Netzintegration der Erneuerbaren, die Transformation des Strom-, Wärme- und Verkehrssektors sowie den Aufbau von Flexibilitäten beispielsweise über Energiespeicher [Quelle Contextcrew].

Somit bestehen für 2024 weiterhin viele Großbaustellen, an denen für die Energiewende weiterhin hart gearbeitet werden muss.

Rolle der Politik

Die Politik, allen voran das Wirtschaftsministerium unter Federführung von Wirtschaftsminister Robert Habeck, haben die politischen Weichen für den Ausbau der Erneuerbaren sowie der Solarwirtschaft im Besonderen gestellt. Zahlreiche bürokratische Barrieren wurden in den letzten Jahren seit Regierungsantritt beseitigt.

Zudem wurden steuerliche Förderungen und Erleichterungen auf den Weg gebracht. Dazu zählte beispielsweise die Erhöhung der EEG-Vergütung, die Abschaffung des Solardeckels und der EEG-Umlage, die Stärkung des Eigenverbrauchs und vieles mehr [Quelle Focus Online]. Vor allem das am 16. August 2023 beschlossene Solarpaket 1 enthält viele Verbesserungen, da es gezielt bürokratische Hemmnisse beim Bau, Betrieb und der Inbetriebnahme von PV-Anlagen beseitigt [Quelle certflow].

Doch die Einführung von neuen Regelungen bedeutet einen Anstieg von Bürokratie. Diese und zu hoch gesteckte Erwartungen und Ansprüche überfordern nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze Branchen. Wodurch sich die Anspannung im Land und die politische Lage weiter zuspitzen könnte.

Weniger Alleingänge, mehr durchdachte Lösungen und Konzepte

Um dem vorzubeugen, braucht es weniger politische Schnellschüsse, sondern gut durchdachte Lösungen und Konzepte. Nur benötigen diese Zeit. Anders als in den Sozialen Medien oft der Fall sollte Politik dem Anspruch folgen: Erst denken, dann reden, dann handeln.

Das ist oft leichter gesagt als getan, wenn ein hoher Erwartungsdruck vorherrscht und zeitliche Vorgaben den Takt angeben. Nur hatte Deutschland lange Zeit den Ruf, Weltmeister im Diskutieren und Debattieren zu sein. Was oftmals als ineffizient  wahrgenommen wurde, verhalf jedoch zu einem achtsamen Umgang mit Ressourcen und einer Fokussierung auf das Wesentliche. Es führte dazu, dass nicht jede Mode oder jeder Trend mitgenommen werden musste.

Den Fokus beibehalten, achtsam und mit Bedacht kommunizieren, den Diskurs mit echten Argumenten führen, ist, was ich mir für die künftige Energiewende in Deutschland wünsche. Diese Debattenkultur erhoffe ich mir auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel 2024 zu erleben, wenn deutsche und europäische Spitzenkräfte und Entscheider:innen sich treffen, um über die Zukunft der Energiewende zu sprechen.

Der Handelsblatt Energie Gipfel 2024 findet vom 23. bis 25. Januar 2024 in Berlin statt. Veranstaltungsort ist das bcc Berlin [Quelle Handelsblatt Veranstaltungen].

Handelsblatt Energie Gipfel
Foto: Handelsblatt Energie Gipfel

Weitere Informationen zum Event

Motto des Handelsblatt Energie Gipfels 2024:
“Bereit für neues Handeln: die grüne Transformation Europas.”

Zentrale Themen des Energie Gipfels 2024 sind u.a.:

  • “Wie kommen wir aus dem Krisenbewältigungsmodus hin zu einer aktiven Gestaltung der Zukunftsaufgabe Energiewende?”
  • “Ausbau Erneuerbarer Energien in Europa: Wo stehen wir im Zeitplan, was geht voran, was ist jetzt zu tun?”
  • “Wie schaffen wir die Energiewende und bleiben dabei wettbewerbsfähig?”
  • “Netzentwicklungsplan & Co.: Wie machen wir das System stabil, wer baut es, wer bezahlt es?”

Diese und mehr Themen finden Sie in der Programmübersicht sowie die jeweiligen Referent:innen [Quelle Handelsblatt Veranstaltungen].

Partnerland: Niederlande

Hashtag: #HBEnergie

Stimmen zum Event: Videostatements unter NEWS [Quelle Handelsblatt Veranstaltungen Blog] u.a. von

  • Günter Gülker – Deutsch-Niederländische Handelskammer
  • Barbara Schmidt, Generalsekretärin – Österreichs Energie
  •  Dr. Sarah Müller – Zolar
  • Manon van Beek, CEO – TenneT

Quellen:
Bundesnetzagentur – Presse – Zubau Erneuerbarer Energien 2023
Photovoltaik-Zubau 2023: Deutschland erreicht 14 Gigawatt, Europa 56 Gigawatt – pv magazine Deutschland (pv-magazine.de)
EU Market Outlook for Solar Power (solarpowereurope.org)
Energiewende 2023: Ein weiteres wildes Jahr neigt sich dem Ende entgegen | Aktuelle Neue Energie Nachrichten | ContextCrew
Die deutsche Solar-Sensation erstaunt sogar Experten – FOCUS online
Solarpaket 1: Die Zukunft der Photovoltaik (certflow.de)
Nach Erneuerbaren-Rekorden im Jahr 2023: Jetzt geht es um Flexibilität im System | Aktuelle Neue Energie Nachrichten | ContextCrew
BloombergNEF: Photovoltaik-Zubau weltweit steigt 2023 um 58 Prozent auf 413 Gigawatt – pv magazine Deutschland (pv-magazine.de)
Handelsblatt Energie-Gipfel 2024 | 23.-24. + 25. Januar 2024, Berlin
Referent:innen 2024 – Handelsblatt ENERGIE GIPFEL 2024
Blog – Handelsblatt ENERGIE GIPFEL 2024

Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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