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Buchbesprechung: Ein Thema – vier Wege, vier Konzepte, vier Standpunkte

Transformation des Kapitalismus oder grüne Marktwirtschaft? – Das ist die Frage

Carsten Kaven setzt sich in seinem Buch mit der Frage „Transformation des Kapitalismus oder grüne Marktwirtschaft?“ auseinander. Er geht darin den Möglichkeiten einer „green economy“ bzw. „einer den Kapitalismus übersteigenden Alternative“ nach. Dazu nimmt er vier verschiedene Konzepte und Ansätze einflussreicher Vordenker unserer Zeit unter die Lupe. Zu diesen zählen Elmar Altvater, Martin Jänicke, Chandran Nair und Jeremy Rifkin. Anhand ihrer Konzepte will Kaven tiefergehende Einsichten  in die Transformierbarkeit unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems zu mehr Nachhaltigkeit vermitteln.

Aufbau und Inhalt des Buches

In sieben Kapiteln erfolgt Kavens Untersuchung. Zu Beginn befasst er sich mit der Problemstellung und erläutert ausführlich, mit welchen Fragen er sich im Laufe des Buches auseinandersetzen will. Dazu stellt er zunächst zwei Extrempositionen gegenüber. Die eine hält eine Versöhnung von Ökologie und Kapitalismus in einem „ergrünten Kapitalismus“ bzw. „green new deal“ für möglich.

Die andere Position schließt eine nachhaltigere Gesellschaft ohne einen radikalen System- bzw. Pfadwechsel aus. Die Vertreter dieser Position verneinen die Fähigkeit kapitalistischer Systeme ein nachhaltigeres Naturverhältnis zu entwickeln. Das Buch selbst bewegt sich im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Extrempositionen. Sie bilden das Diskursfeld seiner Analyse.

Kaven zieht für seine Untersuchung die vier verschiedenen Positionen in der Reihenfolge Altvater, Jänicke, Nair und Rifkin heran. Mit jedem der Konzepte setzt er sich intensiv auseinander und widmet jedem der Autoren ein eigenes Kapitel.

Für die Untersuchung stellt er vier Leitfragen, die er an die Konzepte der Autoren heranträgt. Sie ermöglichen ihm eine systematische Herangehensweise mit dem Ziel, „einem klareren – und auch realistischeren – Bild von den Bedingungen und Möglichkeiten einer sozial-ökologischen Transformation näher zu kommen.“

Die vier Fragen sind:

  1. Wie ist die Sicht des Autors auf den „ökologischen Imperativ“ ist, d.h. wie wird dieser durch den Autor wahrgenommen und beurteilt?
  2. Wie ist die Sicht auf gesellschaftliche Strukturen und Entwicklungstendenzen?
  3. Wie ist die Sicht auf relevante Akteure und Strategien?
  4. Was ist die Vision des Autors bzw. die konkrete Zielvorstellung hinsichtlich nachhaltiger Verhältnisse?

In jedem Kapitel gibt Kaven Antworten auf die vier Fragestellungen.

Die Kapitel unterteilen sich in entsprechende Abschnitte: Imperativ, Strukturen und Tendenzen, Akteure und Strategien sowie Vision. Am Ende jedes Kapitels nimmt Kaven eine Würdigung des besprochenen Konzepts vor. Abschließend erfolgt in Kapitel 6 eine vergleichende Diskussion und in Kapitel 7 die Ableitung von Folgerungen.

Hauptaussagen der Autoren

Alle vier Autoren stehen der gegenwärtigen Wirtschaftsweise bzw. einem ungezügelten kapitalistischen System kritisch gegenüber. Sie sehen dessen negativen Folgen für Mensch und Umwelt. Die Wahrnehmung der Ursachen ist jedoch recht unterschiedlich und demzufolge auch die Ableitung von Handlungslogiken, wie sich dem begegnen lässt.

Während Altvater im spezifischen Naturverhältnis kapitalistischer Gesellschaften den Dreh- und Angelpunkt für die negativen Auswirkungen sieht und eine Überwindung dieser nur durch einen radikalen Wandel für möglich hält, schlagen Jänicke und Rifkin moderatere Töne an.

Jänicke sieht in der „Entkopplung von ökonomischen Wachstum und Ressourcenverbrauch“ den Schlüssel für die Überwindung der negativen Folgen des bestehenden Wachstumsmodells. Er hat den Begriff der „ökologischen Modernisierung“ geprägt. Dem Staat kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu, da dieser Anreize für mehr Energie- und Ressourceneffizienz schafft sowie in der Lage ist, Innovationen zu fördern.

Mit Chandran Nair und seinem Buch „Consumptionomics“ (im deutschen „Der große Verbrauch“) wird eine nicht-westlich geprägte Perspektive eingeführt. Nairs Fokus liegt auf dem asiatischen Raum und seinen Ländern, insbesondere den aufsteigenden Ökonomien China und Indien. Sie sind dabei das westlich-kapitalistische Wirtschaftssystem zu imitieren. Daran äußert Nair scharfe Kritik, denn damit würden sich Ressourcenübernutzung, Klimawandel und andere ökologische Krisen weiter verschärfen. Er plädiert für einen alternativen Pfad, den eines „regulierten Kapitalismus“, in dem „viele Bereiche der wirtschaftlichen Tätigkeit den Regularien eines staatlich regulierten Ressourcenmanagements unterworfen sind“.

Sein Anliegen ist, dass der heute erreichte Wohlstand nicht zu Lasten künftiger Generationen gehen darf: „Ressourcenverbrauch und der Umgang mit der natürlichen Umwelt sind so zu gestalten, dass Möglichkeiten und Chancen künftiger Generationen nicht beeinträchtigt werden.“ Daher plädiert Nair für einen „asiatischen“ Weg. Er sieht die „nachhaltige Zukunft Asiens“ in einem umfassenden Ressourcenmanagement. Wichtigstes Instrument hierfür ist die Einpreisung von „Umweltkosten und Ressourcenverbrauch“. Mit diesem Model könnten die Länder Asiens auch Vorbild für westlich-konsumorientierte Gesellschaften sein.

Mit Rifkin lässt Kaven einen weiteren renommierten Autor zu Wort kommen. Rifkins Perspektive ist die einer „dritten industriellen Revolution“, die in Richtung zu mehr Nachhaltigkeit führen soll. Er stellt die Entwicklung in einen global-historischen Kontext und beleuchtet die Rolle von Innovationen und Technologien für gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen. Mit den modernen (Kommunikations-)Technologien eröffnen sich neue Möglichkeiten und Chancen, da mit ihnen ebenso gesellschaftliche Veränderungen einhergehen, die stärker in Richtung „kooperative Netze“ und „Nutzung“ anstelle von „Besitz“ führen. Sie lassen dezentrale Strukturen bei der Kommunikation und Energieerzeugung zu.

Vergleichende Diskussion und Würdigung

Nach eingängiger Analyse der Konzepte erfolgt im Anschluss eine vergleichende Diskussion der vier Konzepte. Kaven zieht hierzu erneut seine vier Leitfragen heran. Hier wird deutlich, dass alle Autoren einen Wandel bzw. eine Transformation als unvermeidbar betrachten. Offen bleibt, wie diese aussehen wird.

Zudem stellt sich die Frage, ob gesellschaftliche Prozesse überhaupt politisch plan- und gestaltbar sind. Kaven kommt zu dem Schluss, dass die Ausgangsbedingungen für Länder außerhalb Europas und Nordamerikas grundverschieden sind und daher eigenständige Lösungen benötigen. „Überlegungen über einen alternativen Pfad bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen den Möglichkeiten innerhalb des eigenen Wirkungskreises und einem Bewusstsein darüber, wie wenig übertragbar die eigenen Lösungen auf Problemlagen anderer Regionen sein können.“ Doch auch, dass hierzulande eine Lösung gefunden wird, sei nicht gewiss. Daher endet das Buch mit einem fast düsteren Ausblick und dem Weckruf, dass es dieses zu vermeiden gilt.

Bewertung des Buches

Das Buch setzt sich kritisch mit dem bestehenden kapitalistischen Wirtschaftssystem, dem inhärenten Wachstumsmodell und dessen Folgen auseinander. Es stellt Konzepte von Autoren vor, die eine Überwindung des derzeit bestehenden Wirtschaftssystems als Notwendigkeit zum Erreichen von mehr Nachhaltigkeit sehen. Dazu bedient sich der Autor einer wissenschaftlichen Schreibweise und eines sachlich nüchternen Sprachstils.

Als positiv zu bewerten ist, dass Kaven zu Beginn ein Spannungsfeld aufmacht und zwei Extrempositionen einführt, die eine gewisse Spannung beim Leser erzeugt. Zudem entwickelt er vier Leitfragen, die ihm eine strukturierte Analyse der vier Konzepte ermöglicht. Durch den wiederkehrenden Charakter dieser Dimensionen gibt er dem Leser Orientierung und wird das Leseverständnis erleichtert. Am Ende spannt er den Bogen zur eingangs genannten Frage. Zwar wird diese nicht direkt beantwortet. Vielmehr ist ein Abwägen zwischen einem Dafür- und Dagegenhalten, was auch sein Anliegen war.

An einigen Stellen äußert Kaven an den Konzepten der Autoren Kritik. Ob die Kritik berechtigt ist oder nicht, lässt sich jedoch nur durch Kenntnis der Bücher beurteilen. Die Auseinandersetzung mit den Konzepten der Autoren wird so indirekt angeregt. Welchen Lösungsweg er selbst für gangbar hält, lässt er offen.

Am Ende des Buches wären eine kurze übersichtliche Zusammenfassung in Anlehnung an die vier Dimensionen wünschenswert gewesen, die eine fundierte Einschätzung der Positionen dem Leser erlauben. Welche Antworten nun auf den „ökologischen Imperativ“ zu geben sind, bleibt offen. Hier ist der Leser gefordert, sich eigenständig ein Bild zu machen. Eine vorgefertigte Lösung wird nicht auf dem Tablet serviert.

Empfehlung

Kavens Buch ist eine anspruchsvolle Lektüre. Sie eignet sich für all diejenigen, die Interesse haben sich mit der Fragestellung des Buches näher zu beschäftigen und sich für die Konzepte der vier Autoren interessieren. Das Buch richtet sich zudem an einen vorgebildeten Leser, da es viele Fachausdrücke verwendet, die größtenteils nicht weiter im Buch erläutert werden. Lesenswert ist das Buch vor allem auch für diejenigen, die sich mit der Wandelbarkeit unseres bestehendes Gesellschafts- und Wirtschaftssystems befassen und hier nach Antworten suchen.

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Hardcover: 218 Seiten
Verlag: oekom Verlag München, 2015
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3865817501
Preis: 22,95 € (eBook 18,95 €)

Kaven, Carsten:Transformation des Kapitalismus oder grüne Marktwirtschaft?: Pfade zur Nachhaltigkeit bei Altvater, Jänicke, Nair und Rifkinir?t=wwwtechnewabl 21&l=as2&o=3&a=3865817505

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Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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