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Smart Living Weinstadt - Live Exkursion 2022 Foto: K. Reisswig

Teil 2 – Live-Exkursion zu drei Orten der digitalen Energiewende rund um Stuttgart

Zweite Station Smart Living Weinstadt: Zukunftsweisendes Mehrgenerationengebäude

Den Spuren der digitalen Energiewende in Baden-Württemberg folgend, erscheint hier Teil 2 des Beitrags zur Live-Exkursion zu den drei Orten der digitalen Energiewende in Baden-Württemberg. Im ersten Beitrag ging es um transparente Energieverbräuche kommunaler Gebäude mithilfe von IoT-Technologien, digitalen Zählern, Smart Meter, LoRaWAN Netzwerken und Energiemanagement Systemen. Um diese dreht sich auch der zweite Beitrag, der Einblicke in Deutschlands nachhaltigstes Wohngebäude „Smart Living Weinstadt“ sowie in die Kommune Magstadt gibt.

Die Bloggertour wurde von SmartGridsBW in Kooperation mit der Netze BW organisiert und begleitet.  

Zweite Station Smart Living Weinstadt: Rundherum nachhaltig und klimafreundlich

Nach der ersten Station Plüderhausen fuhren wir am 25. August 2022 mit dem E-Auto weiter zur „Smart Living Weinstadt“. Geschäftsführer Steffen Klingler sowie einige Mitarbeitende der KOP GmbH begrüßten uns (siehe Titelbild). In seiner Präsentation berichtete er über die Besonderheiten des Smart Living Mehrgenerationengebäudes. Insgesamt fünf Jahre nahmen Planung und Entwurf der Smart Living Weinstadt in Anspruch. Heute umfasst das fertig erstellte Gebäude insgesamt 1.300 Quadratmeter Wohnfläche sowie Gemeinschaftsräume zur freien Nutzung und weitere Aufenthaltsmöglichkeiten für die Bewohner:innen des Hauses.  

Neuer Ansatz für modernes, nachhaltiges Bauen verwirklicht

Das Resultat: Mit dem Smart Living Weinstadt wurde ein vollkommen neuer Ansatz für modernes, nachhaltiges Bauen realisiert, was zudem ein neuartiges Gebäudeverständnis beinhaltet. Hier greifen einzelne Komponenten gezielt ineinander. Sie verbinden eine nachhaltige, ressourcenschonende Bauweise mit modernster Technik.

So wurden ausschließlich nachhaltige Materialien, wie Recycling-Beton, Glas, Holz, Ziegel verwendet sowie dem Leitbild der Kreislaufwirtschaft gefolgt. Von Beginn an wurde der CO2-Abdruck des Gebäudes so gering wie möglich gehalten. So wurde zum Beispiel auf das aufwendige Verpacken des Gebäudes in eine Gebäudehülle zur Wärmedämmung vollständig verzichtet. Die Smart Living Weinstadt ist eine „Steilvorlage“ bzw. „Blueprint“ für klimaneutrales und energiepositives Bauen. Die einzelnen Komponenten sind anpassbar und können ebenso für Bestandsgebäude genutzt werden.  

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Geschäftsführer der KOP GmbH, Steffen Klingler, erklärt wegweisende Energieversorgung der Smart Living Weinstadt Foto: Paul Gärtner

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat die Smart Living Weinstadt als besonders fortschrittliches und innovatives Gebäude zertifiziert. Das Gebäude ist sowohl Stromerzeuger als auch Energieverbraucher mit einem sehr niedrigen Energieverbrauch. Moderne Technik versorgt das Gebäude mit Strom, Wärme, Kühlung, Warmwasser und Elektromobilität.

Das Gebäude ist bei der Erzeugung autonom und kann sich somit selbst mit Energie versorgen. Es ist aber auch an das Stromnetz angebunden und kann die erzeugte Energie an das Stromnetz weitergeben oder selbst Energie aus dem Netz beziehen. Das Mehrgenerationengebäude ist somit auch aus energetischer Sicht ein modernes, nachhaltiges und klimafreundliches Gebäude. 

Über einen Ladepunkt zum Laden von Elektrofahrzeugen versorgt das Gebäude auch Elektrofahrzeuge der Bewohner:innen und bezieht seine Umgebung mit einem nachhaltigen Sharing-Mobilitätsangebot mit ein. So profitiert auch die umliegende Nachbarschaft. Nur woher kommt die Energie für das Mehrgenerationengebäude?

Mieterstrom

Hauptenergielieferant für das Gebäude ist eine PVT-Anlage. Das ist eine Kombination aus Photovoltaikanlage auf dem Dach und Thermie-Anlage durch Wärmepumpen zur Wärmeversorgung. Verschiedene Energiespeicher, wie zum Beispiel ein Eisspeicher, sorgen dafür, dass möglichst viel Energie für den Eigenverbrauch im Gebäude zur Verfügung steht und so die Energieversorgung durch das Gebäude selbst gewährleistet wird. Da die Smart Living Weinstadt sowohl ein Mehrgenerationen- als auch Mehrfamilienhaus ist, muss die aus der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugte Energie in verschiedene Haushalte verteilt werden. Durch Mieterstrom wird dies ermöglicht. 

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Stephan Schneider, Project Owner bei Netze BW berichtet den Teilnehmenden der Live-Exkursion 2022, wie Mieterstrom in der Smart Living Weinstadt zur Anwendung kommt Foto: Paul Gärtner

Gemeinsam mit Netze BW hat die KOP GmbH in der Smart Living Weinstadt ein Mieterstrom-Projekt realisiert. Stephan Schneider, Project Owner bei Netze BW berichtete über die Details, worauf es bei der Umsetzung ankam. Heute können sich dank des Mieterstromangebots die Bewohner:innen des Gebäudes mit günstigem Sonnenstrom versorgen. Aktuell liegt der Strompreis bei 24 Cent die Kilowattstunde – wobei der Strompreis stabil bleibt, da die Energie zum großen Teil vom Dach kommt.

Self-Service Portal hilft bei der Umsetzung

Mit seinem StromLux Produkt hat die Netze BW ein Self-Service Portal auf den Markt gebracht. Über dieses können beispielsweise Eigentümergemeinschaften und Mehrfamilienhausbesitzer:innen ihren Bewohner:innen Mieterstrom anbieten. Das Software-Portal unterstützt die eigenständige Umsetzung von Mieterstromprojekten. Es enthält alle Funktionen, die es braucht, um die Anforderungen an Mieterstrom zu erfüllen. Die Betreiber:innen von Mieterstromanlagen haben ihre Anlagen immer im Blick und können sich jederzeit sowie unabhängig vom Ort ein Bild von der Wirtschaftlichkeit der Anlage machen.

So lassen sich Stromerzeugung und -verbrauch grafisch darstellen. Es umfasst Abschlagszahlungs-, Rechnungslegungs-, Forderungs- und Zahlungsmanagement-Tools. Es können E-Mobilitätsfunktionen angedockt werden oder lassen sich Messpunkte zur Wallbox einrichten. Alle wichtigen Dokumente sind an einem zentralen Ort gespeichert und hinterlegt. Über die StromLux Calculator Funktion können die Tarife für Mieter:innen berechnet werden. Das hilft beim Berechnen der Wirtschaftlichkeit.  

Vorteile für Mieter:innen

Beim Mieterstrom ist durch den Gesetzgeber festgelegt, dass Mieter:innen ihren Strom mindestens um 10 Prozent günstiger im Vergleich zum Grundversorgertarif erhalten. So profitieren Mieter:innen von den Vorteilen des Mieterstroms. Zugleich hat es einen weiteren Vorteil, denn es erzeugt Transparenz. Durch Mieterstrom ist klar, woher der Strom aus der Steckdose stammt – nämlich vom Dach des Wohngebäudes.

Doch noch werden die Vorteile von Mieterstrom nicht überall gesehen. Dabei böte Mieterstrom die Möglichkeit, auch Dächer von Mehrfamilienhäusern für die günstige Stromerzeugung mittels Photovoltaik-Anlagen zu erschließen. Hier setzt das sogenannte „Osterpaket“ ein Zeichen. Es wurde am 8. Juli mit einer Novelle des bestehenden Erneuerbaren Energien Gesetz “EEG 2021” verabschiedet. Neue Regelungen betreffen eine erleichterte Umsetzung von Mieterstrom-Projekten. Zugleich ist der Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen worden und soll der lokal erzeugte Strom direkt vor Ort genutzt werden können.

Die dazu notwendige Technik und Software-Tools zur Umsetzung von Mieterstromprojekten gibt es. Zudem besteht seit Beginn des Jahres in Baden-Württemberg eine Photovoltaikpflicht. Diese gilt seit dem 1. Januar für alle Neubauten von Nicht-Wohngebäuden und seit dem 1. Mai für alle Wohngebäude. Ab dem kommenden Jahr bezieht sich die PV-Pflicht auch auf Dachrenovierungen von Bestandsgebäuden. Stefan Schneider ist jedenfalls überzeugt, dass sich Mieterstrom lohnt und für Eigentümer:innen von Mehrfamilienhäusern inzwischen eine wirtschaftlich attraktive Lösung darstellt.  

Dritte Station Magstadt: Digitale Zähler für Wasserverbräuche 

Nach einem kurzen Zwischenstopp und Snack bei der Mutterorganisation, EnBW in Stuttgart ging es gestärkt weiter zur dritten und letzten Station der Live-Exkursion – nach Magstadt. Die Gemeinde Magstadt mit ihren knapp 10.000 Einwohner:innen liegt westlich von Stuttgart. Hier begrüßte uns Bürgermeister Florian Glock und Kämmerer Gerhard Schneberger.

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Empfang beim Bürgermeister Florian Glock (Mitte des Bildes) und Kämmerer Gerhard Schneberger (links außen) im Rathaus der Stadt Foto: Paul Gärtner

Digitale Zähler reduzieren Aufwand  

Im Rahmen des Projektes „Diginamic“ hat die Gemeinde Magstadt ihre analogen Wasserzähler durch digitale Wasserzähler ersetzt. Die kleinen intelligenten Haushaltswasserzähler helfen nun der Gemeinde beim Ermitteln ihres Wasserverbrauchs. Die Gemeinde spart sich künftig Kosten für Personal und Aufwand. Denn das Ablesen der analogen Zählerstände erwies sich für die Gemeinde als eine immer schwieriger zu bewerkstelligende Aufgabe. Zudem brachte das manuelle Übertragen der Daten Fehlerquellen mit sich.

Das digitale Auslesen der Zählerstände ist nun ohne Personaleinsatz möglich und vermeidet Ungenauigkeiten. Insgesamt rund 2.000 smarte Wasserzähler mit LoRaWan-Funksensoren wurden in Magstadt verbaut, die von vier Smart Meter Gateways zur Auslese angesteuert werden. Zwar ist die Technik derzeit noch preisintensiv. Sie wird sich jedoch mit der Zeit rechnen. Aktuell waren noch keine Vergleichsdaten möglich, da die Zähler noch nicht lange in der Gemeinde im Einsatz sind.

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Kurzer Rundumschlag zum Thema Sensoren und ihre Internet-der-Dinge Anwendungen (IoT) Foto: Paul Gärtner

Sensoren und weitere Internet-der-Dinge Anwendungen

Doch nicht nur Energieverbräuche lassen sich messen und mithilfe von digitaler Technik auswerten und abbilden. Ebenso können über den Einsatz von Sensoren und weiteren Internet-der-Dinge Anwendungen (IoT) aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen werden. So gibt es viele unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Dazu gehören beispielsweise das Parkraummanagement, das bedarfsgerechte Überwachen und Leeren von überwiegend großen Abfallcontainern oder auch das Ermitteln der Feuchtigkeit bzw. Trockenheit von Böden. Ferner lassen sich Lärm und Geräusche erfassen, der Grad der Luftverschmutzung messen oder die Luftqualität und der Kohlenstoffdioxidgehalt in Räumen feststellen.   

Zusammenfassung der Live-Exkursion & Learnings

Exemplarisch zeigten alle drei Beispiele, was heute technisch mit Blick auf intelligente Messtechnik möglich ist und was das Zusammenspiel von Digitalisierung und Energiewende bringt. Im Gegenzug zu ihren analogen Vorgängern sind digitale Zähler Allrounder und dienen nicht nur dem einmal jährlichen Ablesen von Zählerständen. Smart Meter, LoRaWAN und IoT stehen für den Übergang in eine neue Energiewelt.

Diese beruht auf dem Erheben und Verarbeiten von Daten. Mit ihnen lassen sich Prozesse optimieren und (automatisch) steuern. Dadurch sollen Kosten, Aufwand und Emissionen reduziert werden. Das hilft Kommunen beim effizienten Einsatz knapper Mittel.

Doch die digitale Technik lässt sich nicht nur für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Sektorkopplung nutzen. Sie kann ebenso dem Erreichen von Klimaschutzzielen und dem Erreichen der Klimaneutralität dienen. Gleichwohl sind nicht alle digitalen Instrumente vollkommen ausgereift und stellt die neue Technik ein oftmals kostspieliges Investment dar.

Fest steht jedoch, dass digitale Technologien die Energiewende beschleunigen können und transparente Einblicke in Energieverbräuche ermöglichen. Das hat die SmartGridsBW Bloggertour gezeigt. Ebenso konnten so praxisnahe Einblicke in den Stand der Entwicklung gewonnen werden. Daher einen großen Dank an alle Beteiligten.

 

Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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