Daniel Schreiner ist Immobilienökonom und einer der führenden Experten für energetische Sanierung in Deutschland. Beim Climate-Tech-Unternehmen Purpose Green verantwortet er seit März 2024 als ESG Lead die nachhaltige Entwicklung großer Immobilienportfolios. Im Gespräch mit Technewable teilt Daniel Schreiner exklusive Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der nachhaltigen Immobilienentwicklung.
Warum ist die Förderung von Sanierungs- und Umbaumaßnahmen wichtig für die klimaneutrale Transformation von Städten?
Sanierungs- und Umbaumaßnahmen im Gebäudesektor sind von zentraler Bedeutung für die klimaneutrale Transformation von Städten, weil dieser Bereich in Deutschland für etwa 40 % der CO₂-Emissionen und 35 % des Endenergieverbrauchs verantwortlich ist. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Dazu müsste
die Sanierungsrate von aktuell etwa 1 % des Gebäudebestands pro Jahr auf mindestens 2 % erhöht werden. Gleichzeitig schrecken hohe Investitionskosten viele Immobilieneigentümer:innen ab. Deshalb sind Förderprogramme und auch besondere Finanzierungsangebote der Banken wichtig. Übrigens, Städte spielen in der Diskussion deshalb eine so große Rolle, weil sie weltweit etwa 70 % der Treibhausgasemissionen ausmachen.
Sich durch das Dickicht des Förderdschungels zu kämpfen, ist keine leichte Aufgabe. Wie sollten Antragsteller:innen vorgehen, die energetisch sanieren möchten?
Um erfolgreich durch die Vielzahl an Förderprogrammen zu navigieren, sollten Antragsteller:innen zunächst eine professionelle Energieberatung in Anspruch nehmen. Solche Beratungen, die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit bis zu 50 % bezuschusst werden, helfen dabei, den Zustand der Immobilie zu bewerten und geeignete Maßnahmen sowie Förderprogramme zu identifizieren. Genau das machen wir auch bei Purpose Green für Eigentümer:innen von Mehrfamilienhäusern oder zum Beispiel für Investmentfonds großer Wohn- und Geschäftshäuser.
Ein häufig genutztes Programm für die Sanierung von Wohngebäuden ist der KfW-Kredit 261, der Sanierungen je nach Projekt und erreichter Energieeffizienz mit Krediten von bis zu 150.000 Euro pro Wohneinheit und einem Tilgungszuschuss von 5% bis 35% unterstützt. Wichtig bei diesem Förderkredit ist es, die Förderanträge vor Beginn der Sanierungsmaßnahmen zu stellen, da nachträgliche Anträge in der Regel nicht zugelassen werden. Außerdem sollten Eigentümer:innen Maßnahmen priorisieren, die die größte Energieeinsparung erzielen, wie zum Beispiel die Dämmung einer obersten Geschossdecke oder der Umstieg auf erneuerbare Energien.
Lohnen sich energetische Sanierungs- und Umbaumaßnahmen für die genannten Immobilien auch ohne Förderung?
Energetische Sanierungen können sich langfristig tatsächlich auch ohne Förderung lohnen. Eine Fassadendämmung kann je nach Ausführung beispielsweise die Heizkosten um bis zu 40 % senken. Bei einem typischen Mehrfamilienhaus können so jährlich mehrere tausend Euro eingespart werden. Der Austausch einer alten Ölheizung gegen eine Wärmepumpe kann die CO₂-Emissionen um bis zu 70 % reduzieren und die Betriebskosten um etwa 20 bis 30 % senken. Zusätzlich profitieren Eigentümer:innen oft von einer Wertsteigerung ihrer Immobilien. Verschiedene Studien zeigen, dass Gebäude mit einer guten Energieeffizienzklasse eine durchschnittliche Wertsteigerung von bis zu 30 % verzeichnen. Ohne Förderung ist jedoch die Amortisationsdauer der Sanierungsmaßnahmen länger.
Warum sollte dennoch die Inanspruchnahme einer Förderung in Betracht gezogen werden?
Förderungen senken nicht nur die initialen Kosten von Sanierungsmaßnahmen erheblich, sondern machen auch komplexere Projekte wirtschaftlich attraktiver. Die Sanierung eines Mehrfamilienhauses kann je nach Projekt und Ausführung durchschnittlich 400 bis 1.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche kosten, was bei einem 1.000 Quadratmeter großen Gebäude zu Sanierungskosten von 400.000 bis 1.000.000 Euro führen würde. Förderungen wie die der KfW bieten dabei Tilgungszuschüsse von bis zu 35 %, wodurch sich die Rentabilität des Projekts deutlich verbessert.
Welche Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen für gewerbliche Immobilien gibt es noch, und in welchen Städten?
Häufig wird bei den Förderprogrammen zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden unterschieden. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude richtet sich auch an Nichtwohngebäude, sodass deren energetische Sanierung auch über einen KfW-Kredit mit Tilgungszuschuss oder einen Zuschuss über das BAFA gefördert werden können. Wie auch bei den Wohngebäuden gibt es darüber hinaus weitere lokale Fördermittel, die die energetische Sanierung, Nutzung erneuerbarer Energien und deren effiziente Nutzung in Unternehmen fördern.
In Berlin besteht beispielsweise die Möglichkeit, im Förderprogramm SolarPLUS PV-Gutachten und Konzepte, Stromspeicher sowie Fassaden-/Gründach-PV-Anlagen fördern zu lassen. In Baden-Württemberg kann hingegen im Rahmen des Programms „Klimaschutz-Plus“ die Reduktion von CO2-Emissionen durch Maßnahmen am baulichen Wärmeschutz sowie der Heizungs- und Lüftungsanlage, abhängig von den eingesparten Tonnen CO2, gefördert werden. Aufgrund der großen Diversität und dem stetigen Wandel der Programme ist eine individuelle Betrachtung unbedingt zu empfehlen.
Auch alternative Finanzierungsformen wie Green Bonds werden zunehmend populär. Im Jahr 2022 wurden weltweit fast 500 Milliarden US-Dollar in grüne Anleihen investiert, die gezielt nachhaltige Bauprojekte fördern. Daran erkennt man, dass nachhaltiges Wirtschaften längst über den Status einer Nischenpolitik hinausgewachsen ist und heute als Leitbild einer zukunftsfähigen Marktwirtschaft gilt.
Welche Städte sind hier Vorreiter bei der Förderung von Sanierungs- und Umbaumaßnahmen von Immobilien? Und was machen sie anders?
Das ist natürlich immer von der Betrachtungsweise abhängig. Manche Untersuchungen verweisen auf Städte wie Hamburg oder München. Doch auch in mittelgroßen Städten wird oft viel bewegt. Manchmal sind es ganze Wohnviertel, die energetisch saniert werden und gleichzeitig soziale Verantwortung, Inklusion und Teilhabe fördern.
Auf lokaler Ebene ist der Erfolg von Fördermaßnahmen sehr davon abhängig, wie gut alles auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmt ist. Hamburg kombiniert zum Beispiel Förderungen und unterstreicht die Bedeutung für die beste Energieeffizienz durch die Maßnahmenkombination von Gebäudehülle dämmen, Heizung optimieren und erneuerbare Energien nutzen. München setzt gezielt auf innovative Technologien wie Geothermie und Blockheizkraftwerke, die bis zu 40 % der Energieversorgung in bestimmten Stadtteilen übernehmen. In München wird neben anderen Zuschüssen sinnvollerweise der Anschluss ans SWM-Fernwärmenetz gefördert.
In welchen Städten ist die Förderung von Sanierungen und Umbaumaßnahmen in Wohn- und Gewerbeimmobilien aktuell ins Stocken geraten? Was sind die Gründe dafür?
Purpose Green liegen keine genauen Zahlen aus den jeweiligen Städten vor. Wir wissen aus Expertengesprächen, dass die Fördermittel oft ausgeschöpft sind und die Nachfrage die vorhandenen Budgets übersteigt. Zudem führen bürokratische Hürden zu Verzögerungen. Viele Förderprogramme erfordern detaillierte Antragsunterlagen, deren Erstellung für Laien zeitintensiv ist. Ein weiterer Grund ist die Personalknappheit in den zuständigen Behörden, wodurch die Bearbeitung der Anträge erheblich verzögert wird. Diese Faktoren sorgen dafür, dass viele Projekte nicht rechtzeitig umgesetzt werden können.
Wer sind in der Regel die Antragsteller:innen? Worauf sollten Sie achten? Welche Tipps möchten Sie Antragsteller:innen mitgeben?
Ja, es gibt deutliche Unterschiede. Im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude können Kommunen beispielsweise höhere Zuschüsse erhalten. Öffentliche Immobilien profitieren auch von spezifischen Programmen wie dem Kommunalinvestitionsprogramm Klimaschutz, das mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Milliarden Euro öffentliche Gebäude energetisch saniert. Private Immobilienbesitzer:innen greifen in der Regel auf allgemeine Förderungen wie KfW-Kredite zurück. Öffentliche Projekte unterliegen dabei strengeren Vorgaben, etwa in Bezug auf die Nutzung erneuerbarer Energien, während private Projekte flexibler gestaltet werden können.
- [Link] Umweltbundesamt (UBA), 2022:
Informationen zum Energieverbrauch und den CO₂-Emissionen im Gebäudesektor. - [Link] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK):
Angaben zu Förderprogrammen wie KfW und BAFA, inklusive Energieberatungsförderung - [Link] Deutsche Energie-Agentur (dena): Studien zur Sanierungsrate und Energieeinsparpotenzialen durch Sanierungen.
- [Link] KfW – Kreditanstalt für Wiederaufbau: Details zu Förderprogrammen wie “Klimafreundlicher Neubau und Sanierung”.
- [Link] Green Bond Report, 2022 (Climate Bonds Initiative): Globale Zahlen und Entwicklungen zu Investitionen in grüne Anleihen.
- [Link] Berliner Programm „Energieeffiziente Gebäude“ (Senatsverwaltung):Informationen zur Förderung von Sanierungsmaßnahmen in Berlin.
[Link] Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB): Details zu Förderungen für gewerbliche Immobilien in Hamburg.
[Link] Stadt München – Klimafonds: Informationen zu lokalen Förderungen und innovativen Projekten.
[Link] Statista: Daten zur Wertsteigerung von energieeffizienten Immobilien in Deutschland.
[Link] Kommunalinvestitionsprogramm Klimaschutz (KIP): Förderungsberichte und Details zum Fördervolumen von 3,5 Milliarden Euro.