Wie Smart Grids zur Realität werden, darum ging es am 28.06.2016 bei der SmartGrids #bloggertour entlang der SmartGrids-Route Baden-Württemberg. Es trafen sich SmartGrids Experten und Interessierte gemeinsam mit den Energiewende-Bloggern Bjön-Lars Kuhn (proteus-solutions.de), Thorsten Zörner (stromhaltig.de), Hubertus Grass (dialog-energie-zukunft.de) und Katja Reisswig (technewable.com).
Mit rund 20 Teilnehmern ging es einen Tag lang auf Erkundungstour. Die Route führte von Karlsruhe über Mannheim nach Heidelberg und zurück.
Smart Grids – Von der Forschung in die Praxis
So lautete das Credo des Tages. Auf der Tagesagenda stand der Besuch von drei ausgewählten Standorten: FZI (Karlsruhe), MVV AG (Mannheim) und Stadtwerke Heidelberg. An den einzelnen Standorten wurden aktuelle Projekte vorgestellt. Diskussionen und vertiefende Gespräche im Anschluss an die Präsentationen ermöglichten allen Teilnehmern sich ein Rundumbild zum Forschungs- und Entwicklungsstand sowie zu Anwendeoptionen in der Praxis zu Smart Grids zu machen.
Wer sich bislang wenig mit dem Thema beschäftigt hat, findet eine gute Einführung in das Thema Smart Grids im Beitrag „Smart Grids: Wie unsere Stromversorgung intelligent wird“ auf proteus-solutions.de.
Kritische Fragen, die während der Tour gestellt wurden, offenbarten, dass an der Verwirklichung von Smart Grids einerseits hart gearbeitet wird. Es im Detail jedoch viele offene und zum Teil noch ungeklärte Fragen gibt. In der Praxis zeigt sich, die Markteinführung von Innovationen ist keine einfache Sache. Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe und im Labor herrschen andere Bedingungen bzw. Regeln – als in der Praxis. Erst die Praxis zeigt, worauf es ankommt und an welchen Stellen die eigentlichen Herausforderungen liegen. Häufig ist dann ein kreatives „Um-die-Ecke-Denken-und-Handeln“ erforderlich, damit neue Lösungen und Technologien ihren Weg zur Anwendung finden.
Mit welchen Herausforderungen die Umsetzung von SmartGrids einhergeht, beleuchtet der Beitrag „Smartgridsbw-bloggertour-naturgesetze-und-liberalisierung“ im blog.stromhaltig.de.
Vertiefende Gespräche auf der gemeinsamen Fahrt
Die gemeinsame Fahrtstrecke wurde von den Teilnehmern zum Austausch sowie für Questions and Answers genutzt. Ein Erlebnis war die Fahrt mit dem „Elektromobil ELENA” , dem ersten Plug-In Hybrid Transporter, den es auf dem Markt gibt.
Das Fahrzeug fährt sowohl elektrisch, als auch mit Diesel. Es wurde von einem Konsortium bestehend aus Automotive Experten aus Baden-Württemberg in Zusammenschluss mit Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen entwickelt.
Koordinator des Konsortiums, Dipl. Ing. Volker Schiek begleitete die Tour und gab den Mitfahrenden während der Fahrt interessante Einblicke, wie das Projekt ELENA zustande kam und welche Herausforderungen sich ihnen bei der Vermarktung eines innovativen, funktionsfähigen Fahrzeuges stellen. Das Hypbrid-Fahrzeug ELENA ist aus einem eigenständigen Entwicklungsprojekt hervorgegangen ohne direkte Anbindung an die deutsche Automobilindustrie.
Dass dieses Fahrzeug realisiert werden konnte, verdankt es dem Engagement, Zusammenschluss und der Finanzierung von mittelständischen Firmen. Auch bei diesem Vorhaben zeigte sich, wie so oft, dass es innovative Lösungen nicht leicht haben, ihren Weg in den Markt zu finden. Häufig sind Um- bzw. Exportwege nötig.
Weitere interessante Einblicke in das aktuelle Strommarktgeschehen gab es während der Fahrt von Karlsruhe nach Mannheim und von Mannheim nach Heidelberg. Hier führte Thorsten Zörner von blog.stromhaltig.de in das Thema „Blockchain“ ein und erläuterte es am Beispiel Bitcoin. Mehr dazu in seinen Beiträgen „Einen Stromanbieter aus der Blockchain gründen – Strom DAO“ bzw. „Straom DAO – Einfach(er) erklärt“.
Einzelne Stationen der SmartGrids #bloggertour BW
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Station: FZI zwischen Forschung und Anwendung
Erste Station war das FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Bei Kaffee und Brezeln fand die Begrüßung der Teilnehmer statt. Anschließend führte Dr. Ing. Birger Becker nach einer kurzen Vorstellung des Instituts in das aktuelle Forschungsprojekt „House of Living Labs“ (HoLL) und „smartEnergy“ ein.
Bei einem Rundgang und der Besichtigung der Living Labs gab es hautnahe Einblicke ins Forschungsgeschehen. Deutlich wurde der Anwendungsbezug der einzelnen Forschungsarbeiten. Am FZI wird für die Praxis geforscht, d.h. die Ergebnisse sind anwendungsnah und münden im Idealfall in konkrete Produkte für die Partner des Instituts oder alternativ in Spin-offs.
In den Living Labs geht es um die Untersuchung von Parametern zum Identifizieren von Flexibilitäten. Ziel ist, einzelne Komponenten aufeinander abzustimmen und zu optimieren.
Große Herausforderungen stellen derzeit die nicht vorhandenen Standards dar. Das betrifft ebenso die Frage nach den Schnittstellen. Hier wird in den kommenden Jahren noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten sein, wie auch nachzulesen im Beitrag von Hubertus Grass „Werte in der neuen Energiewelt“ im Blog dialog-energie-zukunft.de
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Station: MVV AG in Mannheim
Nach einer Stärkung in der Kantine der MVV stellte Frau Dr. Wittneben das Projekt „Real Value“ vor. Bei dem Projekt „Real Value“, einem aus dem EU-Forschungsprogramm geförderten „Horizon 2020“ Projekt, geht es um die Koppelung von Strom und Wärme. Untersucht werden Heizungsgeräte, Heizungssteuerung und antizipierte Effekte. Am Ende des Projekts soll eine „End-to-end-Lösung für das Demand-Side-Management“ stehen, die sowohl eine dezentrale Versorgung mithilfe einer IT-basierten Steuerung als auch die Systemverknüpfung von Strom und Wärme ermöglicht.
Das Projekt wird im Rahmen eines länderübergreifenden Konsortiums durchgeführt. Am Projekt beteiligt sind Hersteller, Serviceanbieter, Netzbetreiber und Forschungsinstitute aus Irland, Lettland und Deutschland. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und endet im Mai 2018. Im Rahmen von Real Value erhalten insgesamt 1.250 Haushalte und Gewerbebetriebe aus Deutschland, Irland und Lettland intelligente und vernetzte Energiesysteme bestehend aus Speicherheizungen, intelligenten Steuerungen für bestehende Heizungen oder Smart Meter.
Ein weiteres Projekt der MVV AG stellte Dr. Robert Thomann, Projektleiter des Projekts „Strombank“ bei der SmartGridsBW #bloggertour vor. Die Strombank steht als Synonym für einen Quartiersspeicher, bei dem Nutzer bzw. Erzeuger ihren Strom ähnlich eines Girokontos „einzahlen“ und den gespeicherten Strom bei Bedarf wieder „ausgezahlt“ bekommen, d.h. als Verbraucher für den eigenen Bedarf nutzen können.
Ein durchdachtes Konzept um Stromerzeugung und Verbrauch zu verbinden. Überschüssiger, d.h. vom Erzeuger nicht selbst benötigter Strom wird zwischengespeichert und steht für weitere Nutzungsoptionen sowie unterschiedliche Verwendungszwecke bereit. Damit ließe sich künftig gemeinschaftlich der von Prosumenten erzeugte Strom aus PV-Anlagen in Kombination mit Blockkraftwerkheizungen (BHKW) in Quartierspeichern bewirtschaften.
Einziger Haken, das Konzept lässt sich derzeit nicht realisieren, da regulatorische Barrieren und eine hohe Abgabenlast aufgrund von EEG und weiteren steuerlichen Belastungen einen solchen Betrieb verhindern bzw. unwirtschaftlich machen.
Video zum Projekt RealValue Horizon 2020
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Station: Stadtwerke Heidelberg
Letzte Station des Tages waren die Stadtwerke Heidelberg. Hier wurde das Projekt „Power Line“ von Günter Miksch vorgestellt. Bei dem Projekt geht es um den Einbau intelligenter Stromzähler in ein neu entstehendes Quartier, die „Bahnstadt Heidelberg“.
Ihr wurde im Anschluss an den Vortrag ein Besuch abgestattet und man konnte sich vor Ort ein Bild von der Bahnstadt machen. Auch hier zeigten sich viele Herausforderungen bei der Umsetzung des Projektes, mit denen anfänglich nicht gerechnet wurde. Ebenso erschwerten bestehende Regularien die Umsetzung des Projekts.
In seinem Beitrag „Smart-Meter: Energieversorger tasten sich langsam ran“ geht Björn-Lars Kuhn im Blog proteurs-solutions.de näher auf das Thema Smart Meter ein.
Diskussion und Lessons learned
Trotz großer Schritte in Richtung #Energiewende, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden, ist diese nach wie vor eine Mamut-Aufgabe für alle Beteiligten. Die Installation von #Erneuerbaren Energien, auf die sich zunächst fokussiert wurde, reicht bei weitem nicht aus. Es geht bei der #Energiewende um eine “Neukonzeption des gesamten Energieversorgungssystems in Deutschland”, bei dem viele einzelne Bausteine ineinanderpassen müssen. Angefangen von den unterschiedlichsten Technologien, über das #Strommarktdesign und den Vermarktungsoptionen generell, der Einbindung bestehender Akteure und neuer Akteure bis hin zu den gesetzlichen Regularien und Rahmenbedingungen.
All diese Komponenten greifen ineinander über und müssen aufeinander angepasst werden. Schließlich geht es um die Transformation eines großen komplexen, über lange Zeit gewachsenen Systems.
Eine wichtige Stellschraube zum Gelingen der #Energiewende sind Modell-Projekte. Dank ihnen können Erfahrungen und neue Erkenntnisse gesammelt werden. Sie ermöglichen das Erkennen von Hebeln und tragen zur Minimierung von Risiken bei der Einführung von neuen Lösungen bei. Sie offenbaren Schwachpunkte bei gesetzlichen Regelungen und Rahmenbedingungen, an denen anschließend zu feilen ist. Mit ihrer Hilfe können zudem skalierbare Geschäftsmodelle entwickelt werden. Bei erfolgreicher Umsetzung lässt sich ein flächendeckender Roll-out von verifizierten Konzepten vornehmen.
Zwei entscheidende Punkte zum Gelingen, die auch immer wieder auf der SmartGrids BW #bloggertour zur Sprache kamen, waren die Frage nach den gesetzlichen Regelungen und Rahmenbedingungen sowie die Einbindung der Akteure – seien es Hersteller, Anbieter oder Anwender. Beides entscheidend und wichtig, da andernfalls positive Effekte von erfolgreichen Projekten verpuffen und viel Geld verschleudert wird.
Die Kommunikation und der Austausch der Akteure ist nötig. Zudem darf nicht Innovationen der Weg in die Anwendung durch Regularien und unnötig hohen steuerlichen Belastungen versperrt werden. Insbesondere dann nicht, wenn diese einen hohen Nutzen mit sich bringen, Systemrelevant sind und von der Allgemeinheit finanziert wurden.
Fazit
Die Smart Grids #bloggertour und Besichtigung der ausgewählten Stationen der SmartGrids Route BW brachte interessante Einsichten mit sich. An den intensiven Gesprächen und Diskussionen zeigte sich aber auch der vorhandene Kommunikationsbedarf und die vielen offenen, teils ungeklärten Fragen.
Von der Forschung zur Umsetzung in die Praxis von Smart Grids liegt vor allen beteiligten Akteuren noch ein gutes Stück Arbeit. Viel wird künftig von Regularien und politischen Entscheidungen abhängen, aber auch von Finanzierungsfragen, der Zusammenarbeit und dem Engagement der beteiligten Akteure.
Entscheidend für die Zukunft wird sein, ob es gelingt das große Ganze – die #Energiewende im Auge zu behalten oder ob sich die beteiligten Akteure im Klein-Klein verlieren.
Einen herzlichen Dank geht an Melanie Peschel, die die Tour geplant und als Tour-Guide fungierte.
Hier gehtes zur SmartGrids Route
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