Der Power-to-Gas-Spezialist Electrochaea hat eine Technologie entwickelt und zur Marktreife gebracht, die es ermöglicht, CO2 in klimaneutrales regeneratives Gas umzuwandeln. Jüngst hat das Unternehmen aus Planegg bei München die Beteiligung von Baker Hughes, einem der größten Energietechnologie-Unternehmen der Welt bekannt gegeben. Zum Hintergrund der Zusammenarbeit und über den Run auf klimafreundliche Technologien hat Technewable mit Dr. Doris Hafenbradl, Geschäftsführerin und Technische Leiterin von Electrochaea gesprochen.
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Mit Baker Hughes aus den USA ist vor kurzem eines der weltweit größten Energietechnologieunternehmen bei Electrochaea eingestiegen. Wie kam es dazu?
Dr. Doris Hafenbradl: Unsere Technologie ermöglicht es, CO2 sinnvoll und wirtschaftlich in erneuerbares Methan umzuwandeln und wieder zu nutzen, anstatt es einfach in die Atmosphäre zu emittieren. Das ist für Unternehmen und Industrien, die prozessbedingt CO2 ausstoßen sehr interessant. Uns war bekannt, dass die Strategie von Baker Hughes darauf zielt, sich für neue Energiebereiche, wie Carbon-Capture-and-Utilization, zu positionieren. Dafür investiert das Unternehmen in neue Technologien und kombiniert sie mit den eigenen technischen Fähigkeiten. Unsere Lösung ergänzt dieses Portfolio ideal.
Wie funktioniert die von Electrochaea entwickelte Technologie?
Dr. Doris Hafenbradl: Wir nutzen den natürlichen Stoffwechsel von Mikroorganismen, Archaeen, um aus grünem Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid, Methan herzustellen, das die gleichen Eigenschaften wie fossiles Erdgas besitzt und ebenso vielseitig genutzt werden kann. Der große Unterschied ist, dass das in unserem Gas gebundene CO2 wiederverwertet ist.
Das heißt, wir nutzen bereits emittiertes CO2 aus verschiedenen Quellen, binden es und führen es einer neuen Nutzung zu. Ganz im Sinne einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. Baker Hughes verfügt im CCU-Bereich über ein sehr großes Know-how und über ausreichend Power, um diese Art der Technologie schnell zu skalieren und zu industrialisieren. Gemeinsam werden wir eine innovative integrierte Lösung zur Kohlenstoffabscheidung und -nutzung entwickeln und vermarkten.
Warum sollten Unternehmen jetzt in diese oder ähnliche Lösungen investieren? Wäre es nicht einfacher, CO2-Nutzungszertifikate zu kaufen und so weiterzumachen wie bisher?
Dr. Doris Hafenbradl: Die Preise für CO2-Zertifikate steigen drastisch, da die Umweltkosten für alle immer deutlicher werden. Wer jetzt noch denkt, sich einfach freikaufen zu können, geht betriebswirtschaftlich ein enormes Risiko ein. Außerdem wächst auch der gesellschaftliche und politische Druck auf die Unternehmen, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Das und die Preisentwicklung für CO2 erklären den aktuellen Run auf klimafreundlichere Technologien. Die Nachfrage und das Interesse sind groß.
Welche Branchen und Unternehmen profitieren am meisten von der Electrochaea-Technologie?
Dr. Doris Hafenbradl: Energieversorger und Kommunen, die ein Interesse daran haben, Strom aus Erneuerbaren Energien in großen Mengen und saisonübergreifend in Form von CO2-neutralem Gas zu speichern. Gasunternehmen und Leitungsnetzbetreiber, die die Gasversorgung dekarbonisieren möchten. Energieintensive Industrien mit einem hohen, prozessbedingten CO2-Ausstoß.Ich denke da zum Beispiel an die Stahl- und Zementindustrie. Klärwerke sind auch gute CO2-Quellen.
Seit 2019 kooperiert Electrochaea mit der Southern California Gas Company, die mit knapp 22 Millionen Kunden der größte Gasversorger in den USA ist und dem National Renewable Energy Laboratory, der Forschungseinrichtung des US-Energieministeriums. Anfang des Jahres hat Electrochaea eine Tochtergesellschaft in den USA gegründet und jetzt die Beteiligung von Baker Hughes, ein Zufall ist das nicht, oder?
Dr. Doris Hafenbradl: Der US-Markt ist sehr wichtig für uns. Gerade in Kalifornien ist das Wachstum an Energie aus Windkraft seit einigen Jahre immens. Jüngstes Beispiel ist der im Mai genehmigte Bau von Windparks vor der kalifornischen Küste. Allein dieses Projekt soll rund 1,6 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Damit steigt auch das Interesse an Großspeicherlösungen, die wir anbieten. Aber auch viele Gas- und Öl-Unternehmen investieren stark in klimafreundliche Technologien, um die Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse und Netze voranzutreiben. SoCalGas ist ein gutes Beispiel. Der Energieversorger hat sich zum Ziel gesetzt, Kalifornien bei der Umsetzung der ehrgeizigen Klimaziele zu helfen und zum saubersten, sichersten und innovativsten Energieunternehmen in den USA zu werden. Neue Technologien, wie unsere Biomethanisierung sind ein wichtiger Baustein dieser Strategie.
Ist es in den USA einfacher für Cleantechs als zum Beispiel in Deutschland?
Dr. Doris Hafenbradl: Unsere ersten Projekt- und Testanlagen im industriellen Maßstab mit der Electrochaea-Technologie wurden in Dänemark und der Schweiz gebaut und in Betrieb genommen. In Deutschland sind wir aktuell maßgeblich an der Integration unserer Biomethanisierungstechnologie in eine Kläranlage beteiligt, bei dem eine vollständige Kreislaufwirtschaft erreicht werden soll. Als Wissenschaftlerin weiß ich wie wichtig Forschung und Entwicklung sind, als Geschäftsführerin ist dann aber auch mal der Punkt gekommen, an dem man sagt: Die Daten sind solide, die Technologie funktioniert zuverlässig, jetzt lasst uns in den Markt gehen. In den USA ist man da grundsätzlich etwas offener und flexibler im Umgang mit neuen Technologien, verglichen mit Deutschland zum Beispiel.
Das ist für junge Wachstumsunternehmen sehr attraktiv. Auch der Gesetzgeber ist in manchen Bundesstaaten der USA schneller als in Deutschland. Denn Technologien, die Energiesektoren verbinden, brauchen auch entsprechende moderne regulatorische Rahmenbedingungen. In den USA ist das bereits vielerorts implementiert. Das gibt Investoren und Kunden dort zusätzliche Sicherheit.
Wir wissen, dass es auch in Deutschland viele Unternehmen und Kommunen gibt, die gern in neue klimafreundliche Technologien investieren wollen, aber noch zögern. Wir denken da aber sehr pragmatisch und nicht so sehr in Ländergrenzen. Es macht keinen Sinn, sich zu sehr an länderspezifischen Eigenheiten abzuarbeiten oder sich über die rechtlichen Rahmen in den einzelnen Märkten zu grämen. Wir freuen uns über jedes Unternehmen, das in wirtschaftlich nachhaltige und klimafreundliche Technologien investieren möchte.
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Dr. Doris Hafenbradl, CTO Electrochaea
Dr. Doris Hafenbradl ist erfolgreiche Wissenschaftlerin und Managerin in der Biotech- und Pharmabranche in den USA und Europa. Zu Electrochaea kam sie von Axxam, einem führenden Anbieter integrierter Forschungsdienstleistungen für die Biowissenschaftsbranche, wo sie für die Forschungsaktivitäten des Unternehmens verantwortlich war. Vor ihrer Tätigkeit bei Axxam hatte sie mehrere leitende Positionen in internationalen, branchenführenden Pharmaunternehmen inne, darunter BioFocus, Proteros, GPC Biotech, Axxima Pharmaceuticals, Genomics Institute of the Novartis Research Foundation und Diversa. Dr.Hafenbradl widmete ihre Doktorarbeit in Mikrobiologie dem Studium hyperthermophiler Archaeen im Labor von Prof. Dr. Karl Stetter am Archaeen-Zentrum der Universität Regensburg.