Wasserstoff – ein Allrounder
Auf Wasserstoff als Energieträger werden große Hoffnungen gesetzt. Gerade für Wirtschafts- und Industriezweige, die sich heute noch schwer dekarbonisieren lassen und mit hohen Treibhausgasemissionen belastet sind, scheint Wasserstoff die Lösung zu sein. Als Allrounder lässt sich Wasserstoff vielseitig verwenden. Er ist nicht nur Energieträger, sondern wird ebenso als Rohstoff für industrielle Zwecke verwendet. Seine derzeitige Erzeugung ist jedoch sehr energieaufwendig und mit hohen Emissionen verbunden.
Künftig könnte Wasserstoff durch den Einsatz erneuerbarer Energien in großen Mengen hergestellt werden. Technische Verfahren, die das ermöglichen, sind erprobt und bereits im Einsatz. So könnte klimaneutral erzeugter Wasserstoff zum Zugpferd einer aufkeimenden Wasserstoffwirtschaft werden. Seine vielseitigen Nutzungs- und Verwendungsmöglichkeiten machen wir zum Gegenstand der Betrachtung und laden Expert:innen ein, sich an einem sachlich geführten Dialog zur Wasserstoff Thematik mit Beiträgen zu beteiligen.
Neu ist das Thema Wasserstoff nicht. Schon lange wird an entsprechenden Technologien geforscht. Seit seiner Entdeckung im 18. Jahrhundert gab es verschiedenste Anwendungen. Nur wo steht die Wasserstoff Technologie heute und welche Anwendungen werden aktuell verfolgt? Das sind Fragen, mit denen wir uns in diesem Themen-Special beschäftigen. Ein Fokus liegt dabei auf dem Beitrag, den klimaneutral erzeugter Wasserstoff zur Energiewende leistet.
Warum Wasserstoff für die Energiewende nutzen?
Wasserstoff, kurz H2, ist nicht nur das Element, das am häufigsten im Universum vorkommt. Es zeichnet sich durch eine Bandbreite vielfältiger nützlicher Eigenschaften aus. Diese machen Wasserstoff für eine energetische Nutzung attraktiv. So verfügt er über eine hohe Energiedichte, ist speicherbar und in flüssiger oder gasförmiger Form transportfähig. Bei seiner Verbrennung entstehen keine Emissionen.
Einziges Manko: Wasserstoff kommt auf der Erde nicht in reiner Form, sondern nur in gebundener Form vor. Um ihn als Energieträger nutzen zu können, muss er zunächst erzeugt werden. Das ist über verschiedene Herstellungsverfahren möglich. Eines davon ist das Power-to-Gas Verfahren in Verbindung mit der Elektrolyse. Unter elektrischer Spannung kann mit Hilfe eines Elektrolyseurs Wasser (H2O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten werden.
Bei diesem Verfahren und in Verbindung mit einem Elektrolyseur wird jedoch Energie benötigt – viel Energie! Und genau hier kommen die erneuerbaren Energien ins Spiel, die die benötigte Energie bereitstellen können, ohne jedoch Emissionen zu erzeugen.
Power-to-Gas als Schlüsseltechnologie für eine grüne Wasserstoffwirtschaft und ganzheitliche Energiewende – ANZEIGE
Was sagt die Farbgebung über Wasserstoff aus?
Wasserstoff an sich ist ein farbloses Element. Dennoch wird der über das Power-to-Gas Verfahren erzeugte Wasserstoff als “grün” bezeichnet. Diese Farbgebung erfolgt in Verbindung mit der Stromquelle, d. h. aus welchen Quellen, die zur Erzeugung des Wasserstoffs benötigte Energie stammt. Handelt es sich um grünen Wasserstoff, so wird zu dessen Erzeugung grüner Strom, sprich erneuerbare Energie, genutzt. Beim “grauen” und “blauen” Wasserstoff stammt die benötigte Energie aus fossilen Energiequellen, d. h. Kohle, Öl oder Gas werden als Energieträger genutzt. Dadurch entstehen bei seiner Erzeugung Emissionen.
Anders als beim grauen, sollen beim blauen Wasserstoff die Emissionen nicht ungehindert in die Atmosphäre entweichen. Stattdessen sind weitere Schritte zur Speicherung vorgesehen, um die CO2-Emissionen zu binden und beispielsweise in tiefe Erdschichten zu verpressen. Beim “türkisen” Wasserstoff bleiben Kohlenstoff-Reste in fester Form zurück und sollen ebenfalls zwischengespeichert werden.
Sowohl die Herstellung von blauem als auch von türkisem Wasserstoff sind mit Blick auf die Energiewende umstritten. Beide führen nach Ansicht von Kritikern nicht zu einer Abkehr, sondern zur Fortführung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Wohingegen sich grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien speist und damit saubere Energie für die Elektrolyse genutzt werden kann. Dieser würde sich daher klimaneutral erzeugen lassen.
Verlängerter Arm regionaler Wertschöpfung
Der aus grünem Strom gewonnene Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Allerdings ist seine Erzeugung bislang teuer und aufwendig, weshalb sein Einsatz bevorzugt in Bereichen erfolgen soll, in denen keine Elektrifizierung und direkte Nutzung von erneuerbarer Energie möglich ist.
Einige Demonstrationsprojekte sind bereits umgesetzt worden. In diesen ist der technische Nachweis erbracht, dass sich grüner Wasserstoff über Power-to-Gas und dem Elektrolyse Verfahren herstellen lässt. Ebenso erforscht werden wirtschaftliche Aspekte. Demonstrationsprojekte legen häufig den Grundstein für weitere Projekte, um neue Technologien auf Infrastrukturebene und in größeren Maßstäben in marktwirtschaftliche Bahnen zu lenken.
Regionen, die bereits in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert haben, könnten hier vom Aufbau neuer Wasserstoff Infrastrukturen profitieren. Für sie würde der grüne Wasserstoff ein zusätzliches Plus an regionaler Wertschöpfung bringen. Durch Installation und Betrieb von erneuerbaren Energien-Anlagen könnten Einnahmen über die „Stromernte“ hinaus durch den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur generiert werden.
Welche Anwendungen für grünen Wasserstoff gibt es?
Anwendungsspektrum von grünem Wasserstoff und für die Sektorenkopplung:
Grüner Wasserstoff lässt sich als Energieträger und Ressource in den Bereichen Energie und Wärmeerzeugung, Industrie, Verkehr und Gebäude nutzen. Insbesondere für die sogenannte Sektorkopplung bietet er vielfältige Verwendungsmöglichkeiten. Das Spektrum seiner Anwendungen soll hier kurz aufgezeigt werden, ohne jedoch weiter ins Detail zu gehen.
< Grüner Wasserstoff für die Industrie >
In der Industrie werden große Mengen Wasserstoff bereits schon heute genutzt. Für diese Bereiche müssten keine neuen Anwendungsfelder erschlossen werden. Vielmehr ließe sich grauer Wasserstoff durch grünen ersetzen. Damit könnten bereits viele mit hohen Emissionen belastete Industriezweige ihre Emissionen reduzieren.
< Strom erzeugen mittels Brennstoffzellen >
Eine weitere Nutzungsoption ist die Rückverstromung von grünem Wasserstoff. Er kann durch Einsatz von Brennstoffzellen in Strom gewandelt werden. So ließe sich grüner Wasserstoff als Kraftstoff verwerten, könnte aber auch zur Erzeugung von Wärme im Gebäudebereich genutzt werden. Insbesondere für eine dezentrale Energieversorgung und als Ersatz für Dieselgeneratoren hätten Brennstoffzellen Potenzial in Verbindung mit PV und anderen erneuerbaren Technologien. Allerdings geht bei der Rückverstromung viel Energie verloren.
< Mit grünem Wasserstoff betriebene Fahrzeuge >
Fahrzeuge, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, sind bereits am Markt. Ihre Verbreitung ist nur gering, da es sich ähnlich wie mit dem Aufkommen der Elektromobilität verhält. Die Fahrzeuge sind teuer in der Anschaffung und im Betrieb. Hinzu kommt, dass die direkte Nutzung des Stroms in Elektrofahrzeugen effizienter ist und weniger Anlagen zur Stromerzeugung benötigt. Zudem gibt es derzeit kein flächendeckendes Wasserstoff-Tankstellennetz. Dieses wird jedoch sukzessive ausgebaut. Bis Ende des Jahres 2021 sollen in Deutschland rund 100 Wasserstofftankstellen einsatzbereit sein.
Während der Einsatz von Wasserstoff-Fahrzeugen im Verkehr noch verhalten ist, gibt es im Bereich sogenannter Flurförderfahrzeuge mehr Verwendung von Brennstoffzell-Vehikeln. So werden Gabelstapler und Schlepper mittels Wasserstoff-Antriebstechnik betrieben. Brennstoffzellen-Busse haben ebenfalls einen hohen technischen Reifegrad erlangt und kommen bei städtischen Verkehrsbetrieben zum Einsatz. Dabei handelt es sich oft um Hybride, die mit einem Elektromotor kombiniert werden.
< Grüner Wasserstoff im Schienen- und Schwerlastverkehr >
Für lange Strecken, wie dem Schwerlastverkehr auf Straßen, aber auch für den Schienenverkehr eignen sich strombasierte Kraftstoffe, wie Wasserstoff ebenfalls. So gibt es bereits erste auf Teststrecken erprobte Wasserstoff-Züge. Doch ihre Anzahl ist überschaubar. Wenngleich ihnen, wie auch dem Schwerlastverkehr, gute Nutzungschancen hinsichtlich der grünen Wasserstoff-Technologie zugeschrieben werden.
< Grüner Wasserstoff im Schiffs- und Flugverkehr >
Ebenso intensiv wird an Hybrid-Flugzeugen und -Schiffen auf Basis der Wasserstofftechnik gearbeitet. Im Flugbereich haben erste Prototypen ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Bei diesen wurde das Zusammenspiel von Elektromotor und Brennstoffzelle getestet.
Auch bei Schiffen könnten sich hybrid-elektrische Antriebe für eine klimafreundliche Nutzung anbieten. So könnten Fracht- und Kreuzfahrtschiffe während ihres Aufenthalts in Häfen ihren Strom- und Wärmebedarf über den Einsatz von Brennstoffzellen decken. Hafenstädte sind hohen Umwelt- und Emissionsbelastungen, verursacht durch Schiffe, ausgesetzt. Grüne Wasserstoff-Technologien könnten hier eine saubere Alternative zu Dieselgeneratoren bieten und Hafenstädte von Emissionen befreien.
Was hemmt derzeit den Markthochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft?
Wie gezeigt, gibt es vielfältigste Einsatzmöglichkeiten für grünen Wasserstoff. Dennoch ist von einem Markthochlauf der Wasserstoff Anwendungen noch wenig spürbar. Was hemmt die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft?
Hier ließen sich einige Hürden anführen. Denn trotz technologischer Fortschritte in den letzten Jahren, beispielsweise im Bereich der Fertigung von Brennstoffzellen, Materialforschung oder Effizienzgewinnen bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff, bleibt die Technologie kostenintensiv. Hohe Herstellungskosten sind ein zentrales Hindernis für das Ausrollen der Technologie.
Zugleich drängen weitere grüne Technologien und Anwendungen auf den Markt. Diesen gegenüber müssen sich Wasserstoff Anwendungen behaupten. Zumal viele der Technologien bereits ausgereift sind – Stichwort Elektromobilität, Energiespeichersysteme auf Lithium-Ionen Basis oder digitale Energieeffizienzsysteme. Auch sind Vorbehalte gegenüber der Technologie ein zentrales Hemmnis.
So kommt es nicht nur auf technologische und finanzielle Faktoren an. Es werden Akteure, Strukturen, Märkte sowie ein rechtlicher Rahmen benötigt, damit sich eine grüne Wasserstoffwirtschaft etablieren kann. Gefragt sind auch Business Cases für grüne Wasserstoff Anwendungen und ein verstärkter Ausbau von erneuerbaren Energien, um grünen Wasserstoff überhaupt aus sauberen Energiequellen erzeugen zu können.
Zugleich sind Investitionen in eine Wasserstoff-Infrastruktur nötig, d. h. neben Power-to-Gas Anlagen braucht es Investitionen für Logistik, Speicherung und Transport. Ohne Anschubfinanzierung, wie bei den erneuerbaren Energien, Energiespeichern, Elektromobilität, Energieeffizienz-Technologien geschehen, wird sich eine Wasserstoffwirtschaft nicht ausreichend entwickeln können.
Förderprogramme
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren Förderprogramme zur Wasserstofftechnik auf den Weg gebracht. Zuletzt startete sie im Sommer 2020 ihre „Nationale Wasserstoffstrategie“ und mit ihr die bislang umfangreichste Förderung von Wasserstofftechnologien. Mit einem Katalog von insgesamt 38 Maßnahmen werden aus dem Programm in den kommenden Jahren marktnahe Projekte gefördert.
Weitere Informationen zu den geförderten Projekten finden Sie unter dem folgenden Link:
Wasserstoff Förderprogramm des BMBF
Fazit
Mit Blick auf den grünen Wasserstoff lassen sich zahlreiche Anwendungen identifizieren, die die Technologie für eine weiterführende Nutzung von erneuerbaren Energien attraktiv machen. Nur um an diesen Punkt zu gelangen, sind derzeit noch etliche Hemmnisse zu überwinden. Diese erschweren eine Verbreitung und stehen der Marktentwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft im Weg. Jedoch können ein Erfahrungsaustausch und das Aufzeigen gangbarer Wege bei der Verbreitung der Wasserstoff-Technologie helfen.
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Bildquelle – Copyright: audioundwerbung
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