Staffel-Blogparade zur ISH 2017
Blogger-Kollege Andreas Kühl (energynet.de) hat die Staffelparade mit seinem Beitrag „Wo war die Wärmewende auf der ISH 2017?“ begonnen. Der Stab wurde an mich übergeben. Hier folgt nun mein Beitrag zur ISH 2017.
Kommt die Wärmewende oder kommt sie nicht?
Allzu viel Neues gab es auf der ISH 2017 nicht. Die Innovationen der SHK-Branche lagen vor allem im Bereich der Digitalisierung. Sie reichten von Apps für Endkunden, neuen Plattformen von Herstellern für Kunden und Service bis hin zu Wartungs- und Kundenakquise-Tools für Handwerksbetriebe und Servicepartner. Während dessen sich bei der Heiztechnik selbst in letzter Zeit nicht viel getan hat.
So gab es hier und da Blockheizkraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplung und hybride Systeme zu sehen, vereinzelt auch Brennstoffzell-Heizgeräte. Nach wie vor dominiert jedoch die Brennwerttechnik am Markt und gaben vor allem Gas-Heizungen den Ton an. Zwar punktete die Branche hier mit leistungsstärkeren Geräten, die sich mehr als bisher individuellen Bedürfnissen anpassen und sich durch eine verbesserte Effizienz auszeichnen. Diese gepaart mit digitalen Anwendungen waren im Grunde das technologische Update der Branche auf der ISH 2017.
Mit Zukunft und Innovation war indessen das Technologie- und Energie-Forum der ISH 2017 beschäftigt. Zum 7. Mal veranstalteten die Messe Frankfurt und der BDH das Forum. Auf diesem ging es um Fragen zur Digitalisierung der Heiztechnik, stationäre Brennstoffzellen, hybride Systeme und Sektorkopplung. Das Angebot an neuen marktreifen Anwendungen auf der Messe blieb, abgesehen von der Digitalisierung, jedoch überschaubar.
Kaum einen großen Stellenwert nahmen die marktreifen erneuerbaren Technologien, wie Solarthermie oder Biomasse, ein. Sie spielten auf der Messe eher eine Nebenrolle. Den einzigen Fortschritt mit Blick in Richtung Wärmewende gab es im Bereich Wärmepumpen Heizsysteme. Ihr Absatz konnte in 2016 um 17 Prozent gesteigert werden. Der Absatz für Biomasse und Solarthermie-Anlagen war im selben Zeitraum im Vergleich rückläufig mit jeweils minus 4 und minus 8 Prozent. Hingegen stieg der Absatz bei Öl- und Gas-Brennwerttechnik mit jeweils 12 und 4 Prozent bei einem insgesamt leicht rückläufigen Gesamtmarkt für Wärmeerzeugung, der bei minus 2 Prozent lag. (Quelle: energynet.de / BDH Wärmejournal zur ISH).
Positiv zu vermerken ist, dass immerhin die Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung in der Heizindustrie in den letzten 10 Jahren deutlich hochgefahren wurden. Die Branche investiert derzeit 640 Mio. Euro jährlich in F&E. Im Jahr 2006 lagen die F&E Ausgaben noch bei 360 Mio. Euro. Da Entwicklung und Marktreife neuer Anwendungen immer zeitverzögert erfolgt, bleibt abzuwarten, in welche Zukunftsfelder die Branche investiert und welche neuen Lösungen in den kommenden Jahren auf den Markt kommen werden.
Energieeffizienz und ganzheitliche Lösungen für althergebrachter Brennwerttechnik
Derzeit setzt die SHK-Branche als Beitrag zum Klimaschutz vor allem auf die Steigerung der Energieeffizienz. Der Kunde erhält ganzheitliche Lösungen. Nur eben bevorzugt mit althergebrachter Brennwerttechnik und fossilen Brennstoffen – sprich Öl und Gas inklusive der dazugehörenden CO2-Emissionen. Besonders fortschrittlich ist das für das 21. Jahrhundert nicht. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass es auch im Wärmemarkt längst alternative marktreife Lösungen beruhend auf erneuerbaren Energiequellen gibt.
Diese bekommt der Kunde auch – nur eben auf Sonderwunsch und mit Aufschlag. Für den Klima- und Umweltschutz muss eben schon etwas tiefer in die Tasche gegriffen werden. Klima- und Umweltschutz kosten und sind genau wie gesunde und hochwertige Lebensmittel nicht umsonst zu haben. Doch kann man für das Fehlen der Erneuerbaren Energien in der SHK-Branche einzig und allein die Hersteller und Branchenvertreter verantwortlich machen? Oder was sind Gründe dafür, dass diese Lösungen kaum am Markt vertreten sind? Liegt es vielleicht an der Trägheit des Marktes oder warum kommt die Wärmewende nicht wirklich in Gang? Denn attraktive Angebote gestalten und damit Geld verdienen, lässt sich auch mit neuen innovativen Lösungen und adaptierten Geschäftsmodellen – und das auch im Wärmesegment.
Das Rundumsorglos-Paket für den verwöhnten Verbraucher?
Hier stellt sich die Frage, nach der Rolle des Verbrauchers. Sich mit Fragen zu seiner Heizung zu beschäftigen, ist sicher nicht gerade das Spannendste, was man sich vorstellen kann. Genauso wenig spannend ist, sich darüber Gedanken zu machen, woher der Strom aus der Steckdose und das Benzin für das Auto kommt. Der Verbraucher ist eben verwöhnt! Er ist es gewohnt rund um die Uhr mit Energie – sprich Strom und Wärme – versorgt zu werden.
Für ihn steht außer Frage, dass es in der Wohnung oder im Haus mollig warm ist, sobald es kalt draußen wird. Auch dass das Warmwasser zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung steht, ist für ihn selbstverständlich. Ebenso sieht es mit dem Strom aus, der immer da ist – vorausgesetzt die Stromrechnung ist bezahlt. All das sind für den Verbraucher Selbstverständlichkeiten wie das Amen in der Kirche. Solange das so ist, gibt es keinen Anlass sich mit dem Thema Heizung näher zu beschäftigen. Schließlich gibt es wichtigeres im Leben.
Nun kommen allerdings allerlei Leute aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft auf den Verbraucher zu und fordern ihn auf, sich mit diesen Dingen zu befassen. Raus aus der Behaglichkeit! Deine Heizung ist zu alt! Mit ihr verbrennst Du zu viel Öl und Gas und erzeugst klimaschädigende Emissionen! Dass das inzwischen 13 Millionen Haushalte in Deutschland betrifft, hat sich herumgesprochen. Der Befund lautet, der Heizungsbestand im Keller ist veraltet. Im Schnitt sind es um die 20 Jahre. Es gibt was zu tun.
∞ Siehe Beitrag von Andreas Kühl: „Vom Dilemma der Heizungssanierung“ , vom 12.Dezember 2017
Die Zeit ist reif für einen Heizungstausch!
Um hier etwas Bewegung in den Markt zu bringen, hat die Bundesregierung das Marktanreizprogramm auf den Weg gebracht. Ganz nach der Devise: Zeit für einen Heizungsaustausch! Nur bringt das Programm die gewünschte Wirkung? Wechseln Verbraucher ihre alten Öl- und Gas Heizungen gegen neue deutlich umweltfreundliche Anlagen aus? Oder passiert doch eher Folgendes, wenn Heizungsaustausch, dann alte Ölverbrennungsanlage gegen neue Ölverbrennungsanlage, alte Gastherme gegen neue Gastherme. Bleiben die meisten Verbraucher bei ihren Gewohnheiten, so wie der Schuster bei seinen Leisten? Ein neuer moderner Heizkessel – Ja! Ein neuer Energieträger – Nein Danke! – Zu unsicher, zu riskant, zu kompliziert? Ist uns die Heizung doch heiliger und die Furcht vorm Frieren doch größer, als wir zugeben mögen?
Die Antwort der Branche auf diese Reaktionen ist naheliegend. Man tut, was der Kunde will. Der Kunde ist König! Immerhin bekommt er nun eine deutlich effizientere und leistungsfähigere Anlage. Sie bietet zudem allerhand „Komfort“. Für manch einen Verbraucher auch das zu viel. Schließlich soll die neue Heizung nur dafür sorgen, dass es schön warm ist. Mehr nicht! Alles andere ist lästiger und unnötiger technischer Schnickschnack, den keiner braucht. Der ganze Technikkram ist letztendlich doch nur was für neu-moderne Technikfreaks, die sich lieber mit technischen Geräten austauschen als mit anderen Menschen zu kommunizieren. Und auch für den Klimaschützer gibt es die passende Antwort: „Sollen doch die für Klimaschutz zahlen, die ihn haben wollen!“
Wem nun den schwarzen Peter zuschieben?
Der schwarze Peter lässt sich so nicht allein der SHK-Branche zuschieben. Immerhin kann mit den neuen leistungsfähigeren Geräten schließlich doch eine Menge an CO2 eingespart werden. Der Energieverbrauch kann deutlich reduziert werden und mithilfe von modernen Apps wird eine bedarfsgerechte Steuerung und Nutzung der Anlagen möglich. Das sollte doch ausreichen, um das Klimagewissen zu besänftigen?
∞ Siehe Beitrag von Frank Urbansky von EnWiPo: „Digitalisierung der Ölheizung: Wo die Vorteile liegen“ vom 22. Februar 2017
Damit man sich mal ein Bild vom deutschen Heizungsmarkt machen kann, hier ein paar Zahlen. Dann wird einem bewusst, wie es um den Heizungsmarkt in Deutschland steht. Wobei einschränkend gesagt werden muss, die Zahlen beziehen sich lediglich auf das Eigenheim. Beinahe zwei Drittel aller Deutschen Häusle-Besitzer heizen mit Gas oder Öl. Den größten Anteil verbucht die Gasheizung mit 50 Prozent. Den zweit größten Anteil die Ölheizung mit rund 24 Prozent. Gerade einmal 2 Prozent beträgt der Anteil der Solarthermie-Heizungen am deutschen Heizungsmarkt. 1,5 Prozent Geothermie, weitere 1,5 Prozent Blockheizkraftwerke und 0,5 Prozent für Wärmepumpen. Der restliche Teil verteilt sich auf Holzheizung, Fernwärme, Kohle- und Elektroheizung. (Quelle: ecoquent-posisition / Studie von °Thermondo GmbH und TopTarif GmbH ). Das sind die Ergebnisse einer Studie, die von Thermondo und der TopTarif GmbH in Auftrag gegeben wurden. Laut Studie würden sich in Hinblick auf einen Heizungswechsel 27 Prozent für Solarthermie entscheiden. Bei Gas würden 23 Prozent der Befragten bleiben.
∞ Siehe Beitrag von Thermondo: „Die große Studie zu Heizungstechnik und Heizverhalten in Deutschland.“ vom 10. November. 2016
Eine andere Studie zum Heizungsmarkt 2016, die von Kesselheld durchgeführt wurde, kommt zum Ergebnis, das der Brennstoff Gas eine ungebrochen hohe Beliebtheit aufweist. Laut ihrer Erhebung ist die Wechselbereitschaft des Verbrauchers hin zu einem neuen Brennstoff sehr gering ausgeprägt. Ein Wechsel kommt für die meisten Verbraucher nur dann infrage, wenn es triftige Gründe gibt – allen voran, wenn sich damit Kosten reduzieren lassen.
Will man also ernsthaft eine Wärmewende vollziehen, muss sich auf Seiten der Verbraucher, Hersteller, Monteure, Installateure und Planer noch einiges tun. Zurzeit liefert die Heizungsindustrie das, was vom Markt nachgefragt wird. Solange die Nachfrage nach Brennwerttechnik beim Endkunden hoch ist, wird es nur wenig Angebote aufseiten der Erneuerbaren Energien geben. Somit rechtfertigt die Nachfrage das Angebot am Markt?
Wie ist es um die Nachfrage nach intelligenter Heiztechnik bestellt?
Doch es gibt noch ein weiteres interessantes Ergebnis in der Studie von Kesselheld. Laut Umfrage von Kesselheld wünschen sich 53 Prozent der Befragten keine Internetfähigkeit ihrer Heizung. (Quelle: EnWipo / Studie Kesselheld) Dennoch schreitet die Digitalisierung der Heizung unausweichlich voran. Und ist die Digitalisierung nicht gerade das Highlight der Branche? Überall auf der ISH 2017 gab es moderne, digitale, vernetzte Lösungen zu sehen. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis Heizungen anfangen mit einem zu sprechen. Das Wetter ankündigen und Musik aus der Cloud streamen kann ja inzwischen bereits sogar der Durchlauferhitzer. Und selbst der Kaminofen wird intelligent. Heizen und Lüften ist längst nicht mehr so banal, wie man das einmal dachte. Doch wie passt hier das Angebot mit der Nachfrage zusammen? Erhält hier der Kunde womöglich doch etwas anderes als er sich wünscht?
Kommen wir nun zur Schlussfolgerung. Kann es also sein, dass Hersteller mitunter doch Anwendungen und Lösungen auf den Markt bringen, die der Kunde nicht unbedingt wünscht? Nimmt der Hersteller in dem Fall dem Kunden die Entscheidung und Lösung vorweg? Könnte man hieraus nun schlussfolgern, dass es auf der einen Seite doch eine gewisse Trägheit am Markt gibt, wenn es um die Integration von Erneuerbaren geht? Und ist auf der anderen Seite eine gewisse Agilität am Markt zu verzeichnen, wenn es um die Frage Digitalisierung geht? Und wenn dem so ist, nimmt der Markt das Angebot der Nachfrage vorweg? D.h. muss für die digitalen Anwendungen erst noch eine Nachfrage geschaffen werden?
Mit Antworten auf diese Fragen möchte ich mich enthalten. Gleichsam freue ich mich auf Anmerkungen und eine lebhafte Diskussion hier auf technewable.com oder alternativ zum Beitrag von Andreas von energynet.de oder den nachfolgenden Beiträgen zu diesem Thema. Zudem würde ich mir die eine oder andere Antwort von Branchenvertretern und Endverbrauchern wünschen, über die hier so viel geschrieben wird.
Mein persönliches Fazit zur ISH 2017
Wie lautet nun mein persönliches Fazit zur ISH 2017?
- Fazit: Wer Umwelt- und Klimaschutz haben möchte, muss dafür zahlen. Wer den Investitionsbedarf nicht scheut, bekommt Lösungen. Gleichzeitig heißt es wohl auf anderes zu verzichten, denn Geld kann nur einmal ausgegeben werden.
- Fazit: Für eine echte Wärmewende braucht es Vorreiter und Pioniere. Ohne sie wäre auch eine Energiewende nicht möglich gewesen. Soll die Energiewende nicht bei einer Stromwende stehen bleiben, braucht es Menschen, die bereit sind, neue Lösungen und Anwendungen zu nutzen. Der „Sportwagen“ im Keller oder das „Cabriolet“ auf dem Dach ziehen bekanntermaßen mehr, als der „kleine Stadtflitzer“ oder das „Familienauto“. Erleichterungen und Anreize wurden von Seiten der Politik geschaffen. Finanzielle Hilfen sind abrufbar. Ebenso gibt es immer mehr und auch bessere Informations- und Beratungsangebote. Zu hoffen ist, dass mit der Digitalisierung und dem sichtbar machen von Energieverbräuchen das Bewusstsein für den ökologischen Fußabdruck bei den Verbrauchern wächst und damit auch die Bereitschaft Neues auszuprobieren.
- Fazit: Ein verändertes Bewusstsein für den eigenen Energie- und Wärmeverbraucht könnte helfen, sich stärker als bisher mit dem Thema Energie zu befassen. Ebenfalls ist zu hoffen, dass die Technologie weitere Sprünge macht und Marktentwicklungen dazu führen, dass veraltete Technik nicht nur unrentabel, sondern auch unattraktiv für den Verbraucher wird.
Alle Beiträge zur Staffelblog-Parade zur ISH 2017 hier in der Übersicht:
- Andreas Kühl von energynet.de: „Wo war die Wärmewende auf der ISH 2017?“ vom 18. März 2017
- eigener Beitrag
- Kerstin Bruns von kesselheld.de: “ISH 2017: Verändern Digitalisierung und Energiewende den Heizungsmarkt?”, vom 24. März 2017
- Frank Urbanski von EnWiPo: “ISH 2017 – Digitalisierung ja, aber bitte keinen Standard”, vom 28. März 2017
- Martin Schlobach von haustechnikverstehen: “ISH 2017 – Wie die Digitalisierung als Ausrede herhalten muss”, vom 28. März 2017
- Sebastian Zahn von energieheld.de: “Die Digitalisierung der kleinen Schritte”, vom 06. April 2017