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Die nächste Phase der Energiewende:Warum Deutschland beim Smart-Meter-Rollout endlich Tempo machen muss

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Ein Gastbeitrag von Bastian Gierull, CEO Octopus Energy Germany

Die Energiewende braucht digitale Infrastruktur

Deutschland steckt mitten in einer energiepolitischen Richtungsentscheidung. Während Milliarden in neue fossile Gaskraftwerke fließen sollen, bleibt der flächendeckende Smart-Meter-Rollout auf halber Strecke stehen. Die Folgen sind gravierend: Ohne intelligente Messsysteme bleibt unser Stromsystem starr, ineffizient und teuer. Dabei brauchen wir gerade jetzt maximale Flexibilität, um Erneuerbare optimal zu nutzen, Verbraucher*innen zu entlasten und die Abhängigkeit von fossilen Importen zu beenden.

Der Status quo: Smart Meter in Deutschland – langsam, teuer, fragmentiert

Seit 2016 verfolgt Deutschland das Ziel, mit dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) den Rollout intelligenter Stromzähler voranzutreiben. Doch knapp zehn Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus: Ende 2024 wurde gerade so die erste Million an Installationen erreicht. Nun kommunizierte die BNetzA Anfang Juli die Rollout-Rate von 2,8 %. Und das bei über 50 Millionen Haushalten in Deutschland.

Die Ursachen:

  • Komplexe Regulierung: Zuständigkeiten zwischen Messstellenbetreiber, Netzbetreiber, und Stromversorger sind nicht klar definiert.

  • Technische Anforderungen: Die hohen Sicherheits- und Zertifizierungsstandards haben Innovation und Markteintritt gebremst.

  • Hohe Kosten: Die Rollout-Kosten belaufen sich auf über 100 € pro Gerät, bei denen Haushalte den Großteil bezahlen müssen. Eine enorme Hürde für breite Abdeckung.

abelle Smart Meter Rollout Deutschland im Vergleich, Gastbeitrag Octopus Energy, CEO Bastian Gierull

Warum Smart Meter der Schlüssel zur Flexibilität sind

Wenn die Stromerzeugung mit Wind und Sonne schwankt, braucht es keine fossilen „Backup“-Kraftwerke, sondern ein System, das schnell, intelligent und automatisiert reagieren kann. Smart Meter sind dafür die Grundlage: Sie ermöglichen die dynamische Steuerung von Verbrauch und Erzeugung in Echtzeit.

Flexibilität ist das Rückgrat der Energiewende und ohne digitale Messinfrastruktur bleibt sie unerreichbar.

Beispiele:

  • Haushalte können sich flexibel verhalten und Produkte nutzen, die Sparanreize bieten

  • Wärmepumpen und E-Autos lassen sich netzdienlich betreiben – mit weniger Netzbelastung und geringeren Kosten.

  • Virtuelle Kraftwerke bündeln flexible Geräte zu marktfähigen Einheiten, gesteuert über Plattformen wie zum Beispiel Kraken.

Warum der deutsche Sonderweg nicht funktioniert

Im Gespräch mit Technewable habe ich auf ein zentrales Problem hingewiesen: Deutschland geht beim Rollout einen isolierten Sonderweg, der Anbieter abschreckt und Skaleneffekte verhindert. Während Länder wie Großbritannien oder Spanien standardisierte, einfache Prozesse ermöglichen, verkompliziert Deutschland den Zugang durch ein Dickicht aus Regulatorik, Schnittstellen, Zertifizierungen und lokalem Flickenteppich.

Ein paralleler Weg für die breite Masse: Pflichtrollout beibehalten, aber mit Smart Meter light ergänzen

Der verpflichtende Rollout intelligenter Messsysteme – insbesondere für Haushalte mit hohen Verbräuchen – ist wichtig und muss weitergeführt werden. Nach zehn Jahren darf dieser Weg nicht erneut gebremst werden, denn zu groß ist die Bedeutung für Netzstabilität und Systemtransparenz.

Gleichzeitig brauchen wir aber einen ergänzenden Weg, um endlich auch die breite Masse der Haushalte zu erreichen: Ein „Smart Meter light“, das weniger kostet, schneller verfügbar ist und die zentralen Funktionen der Energiewende abbildet, ohne regulatorische Überfrachtung.

Smart Meter light bedeutet:

  • Vereinfachte technische Anforderungen → schnellerer Rollout

  • Deutlich geringere Kosten für Verbraucher*innen

  • Integration in flexible Tarife, Echtzeitdaten, Plattformsteuerung

Es geht nicht um „entweder oder“, sondern um „sowohl als auch“:

  • Der Pflichtrollout bleibt wichtig, gerade für große Verbräuche.

  • Ein zusätzlicher einfacher Zugang für alle Haushalte ermöglicht eine echte Breitenwirkung, ohne die hohe regulatorische Hürde.

Das Zero Bills Home: Praxisbeweis für eine digitale Energiewelt

Ein Beispiel für gelebte Flexibilität ist das Zero Bills Home von Octopus Energy, das 2024 erstmals in Deutschland eröffnet wurde. Es kombiniert PV-Anlage, Batteriespeicher, Wärmepumpe, Smart Meter und die Plattform Kraken zu einem vollständig vernetzten Energiekonzept. Das Ergebnis: Keine Stromrechnung mehr, bei voller Versorgungssicherheit.

Zero Bills Home-Bewohner*innen leben also heute schon in der Energiezukunft, die für Millionen möglich wäre, wenn die Infrastruktur stimmt.

Keine neuen Gaskraftwerke – stattdessen digitale Infrastruktur

Wenn Deutschland jetzt 20 GW neue Gaskraftwerke plant, verfehlt es das Ziel einer nachhaltigen Energiezukunft. Die Zukunft ist erneuerbar, dezentral und digital, nicht fossil.

Wir brauchen keine Milliarden für Kraftwerke, die 20 Jahre laufen müssen, um sich zu rechnen. Wir brauchen Investitionen in digitale Netze, Flexibilität und intelligente Steuerung. Smart Meter sind dafür der erste Schritt.

Fazit: Jetzt ist der Moment, beim Rollout richtig durchzustarten

Die Technologie ist da. Die politischen Ziele sind da. Was fehlt, ist die konsequente Umsetzung. Realistische Anforderungen und ein Fokus auf Flexibilität würden den Smart-Meter-Rollout endlich auf die Erfolgsspur bringen. Denn: Ohne Smart Meter keine Flexibilität. Ohne Flexibilität keine Energiewende. Dabei ist die Nachfrage da: Jeder zweite Deutsche wünscht sich laut einer Umfrage von Octopus Energy und Civey ein Smart Meter im Haushalt, um den eigenen Stromverbrauch besser zu verstehen und das Sparpotential zu identifizieren.

Bild von Bastian Gierull

Bastian Gierull

Bastian Gierull ist seit Juli 2023 CEO von Octopus Energy Germany. Sein Ziel: eine schnelle, digitale und gerechte Energiewende mit klaren Worten und konsequentem Handeln. Im Mittelpunkt steht für ihn die Rolle der Verbraucher*innen als aktive Treiber*innen der Transformation. Zuvor war er in leitenden Positionen in der Energie-, E-Commerce- und Gesundheitsbranche tätig.

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