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Warum die Energiebranche mehr Gründerinnen und Diversität braucht

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Gastbeitrag: Karin Klaus, CEO Enpulse Ventures

INHALTSÜBERSICHT

Energie im Umbruch und wer ihn gestaltet

Die Energiewelt verändert sich derzeit grundlegend. Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung treiben einen epochalen Wandel voran, der nicht nur Technologien, sondern auch Geschäftsmodelle, Arbeitsplätze und ganze Wertschöpfungsketten transformiert. Selten stand so viel auf dem Spiel wie heute, wenn es darum geht, unsere Energieversorgung klimaneutral, resilient und zugleich wirtschaftlich tragfähig aufzustellen.

Doch wer gestaltet diese Wende eigentlich? Wer trifft die Entscheidungen, wer entwickelt die Innovationen, wer führt die Start-ups, die für so viel Bewegung im Energiesektor sorgen? Bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Diese Gestalter:innen sind bisher kaum vielfältig zusammengesetzt. Der Energiesektor bleibt vielerorts eine Männerdomäne – vor allem auf Gründungs- und Führungsebene. Dabei steht für mich fest: Gerade hier braucht es mehr Diversität und mehr Gründerinnen, wenn wir den Umbau der Energiebranche nachhaltig und erfolgreich gestalten wollen.

Strukturwandel und technologische Revolution

Die Energiewirtschaft ist nicht länger ein monolithischer Block. Dezentrale Photovoltaikanlagen, digitale Plattformen, Prosumer-Konzepte, Sektorkopplung – all diese Entwicklungen eröffnen neue Märkte und Chancen für innovative Geschäftsideen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Fachkräfte, Führungspersönlichkeiten und Gründer:innen, die diese Transformation aktiv begleiten. Umso wichtiger ist es, dass in diesem System auch die Perspektiven und Erfahrungen von Frauen sowie von Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen vertreten sind.

Politik, etablierte Energiekonzerne, Stadtwerke, Start-ups und engagierte Bürgerenergieprojekte bilden gemeinsam das Rückgrat der Energiewende. Dabei bringen Start-ups und Innovationsprojekte oft den entscheidenden Impuls, um Technologien marktfähig zu machen oder ganze Wertschöpfungsketten zu transformieren. Umso bedauerlicher ist es, dass gerade hier Frauen bislang unterrepräsentiert bleiben – sowohl in Gründungsteams als auch in Investorengremien.

Status quo: Noch immer eine Männerdomäne

Zahlen aus dem Energiewende-Barometer des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) zeigen: Der Energiesektor wird noch immer klar von Männern dominiert. 78 Prozent der Beschäftigten sind männlich, bei den erneuerbaren Energien sind es immerhin noch 68 Prozent. In den Start-ups des Energiesektors ist der Anteil weiblicher Gründerinnen oft sogar noch geringer. Das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen: Gründerinnen* und weibliche Führungspersönlichkeiten sind eher die Ausnahme, gerade in der Frühphase innovativer Energie-Start-ups.

Diese ungleiche Verteilung hat historische Wurzeln. Energiewirtschaft galt lange als technisch geprägter Industriezweig, traditionell stark von Ingenieursberufen dominiert. Auch Fördermechanismen, Netzwerke und Finanzierungsstrukturen sind vielfach auf männlich geprägte Karrieren zugeschnitten. Es fehlt nach wie vor an Rollenbildern, die Frauen den Einstieg erleichtern und ihnen Mut machen, Führungsverantwortung oder Gründungsrisiken einzugehen.

Gründerinnen in der Energie-Start-up-Szene

Wer ein Start-up gründet, braucht Zugang zu Kapital, Kontakten, Expert:innenwissen und eine Portion Risikobereitschaft. Viele Investor:innen setzen jedoch weiterhin auf männlich geprägte Gründerteams, weil diese in der Vergangenheit vermeintlich häufiger erfolgreich waren. Das schafft einen sich selbst stabilisierenden Kreislauf, in dem Gründerinnen seltener zum Zuge kommen. Gerade im Energiesektor, der von Komplexität und Kapitalintensität geprägt ist, wirkt dieser Mechanismus besonders stark.

In meiner Rolle bei Enpulse und im Female Founders Netzwerk treffe ich viele talentierte Gründerinnen*, die großartige Ideen für eine nachhaltige Energiezukunft haben. Doch ihnen fehlt häufig die Sichtbarkeit, das Zutrauen von Investor:innen oder der Zugang zu etablierten Branchenkontakten. Genau hier müssen wir ansetzen, um mehr Diversität in der Gründungsszene zu erreichen.

Warum Diversität ein Gamechanger ist

Vielfältige Teams sind nachweislich erfolgreicher, kreativer und resilienter. Das belegen zahlreiche Studien aus der Innovations- und Organisationsforschung. Unterschiedliche Perspektiven bringen mehr Lösungsideen, sie mindern Betriebsblindheit und fördern einen konstruktiven Umgang mit Risiken. Gerade in einem komplexen System wie der Energiewirtschaft, in dem technologische, soziale und ökologische Fragen eng verflochten sind, ist diese Vielfalt entscheidend.

Eine McKinsey-Analyse (2020) zeigt, dass Unternehmen mit hoher Gender-Diversität um bis zu 25 Prozent profitabler arbeiten als weniger diverse Vergleichsgruppen. Auch andere Untersuchungen, etwa vom Boston Consulting Group, belegen den Zusammenhang zwischen Vielfalt und Innovationskraft. Diversität ist daher nicht nur eine moralische oder gesellschaftliche Forderung, sondern ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Komplexität im Energiesektor verlangt Perspektivenvielfalt

Die Energiewirtschaft wird in den kommenden Jahren noch komplexer: Mehr Technologien, mehr Daten, mehr regulatorische Rahmenbedingungen. Kein einzelner Blickwinkel kann all diese Herausforderungen im Alleingang bewältigen. Divers zusammengesetzte Teams können dagegen breitere Perspektiven einbringen und damit fundiertere Entscheidungen treffen.

Diversität stärkt nicht nur einzelne Unternehmen, sondern unsere Gesellschaft insgesamt. Sie sorgt für mehr Teilhabe und Gerechtigkeit sowie eine resiliente Wirtschaft, die von mehr Menschen getragen wird. In einer Zeit multipler Krisen wird genau das zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.

Um mehr Gründerinnen und diverse Führungspersönlichkeiten zu fördern, brauchen wir gezielte Räume und Anlaufstellen. Netzwerke, Programme und Förderangebote sind hier zentral, um Barrieren abzubauen und neue Vorbilder sichtbar zu machen.

Das Female Founders Netzwerk von Enpulse

Mit dem Female Founders Netzwerk bei enpulse möchten wir genau solche Räume schaffen. Wir unterstützen Gründerinnen und diverse Teams mit Zugang zu Coaching, Expertise, Finanzierungsmöglichkeiten und Sichtbarkeit. Ziel ist es, Barrieren zu senken und Gründerinnen in ihrer Rolle als Gestalterinnen der Energiewende zu bestärken.

Die Resonanz auf das Netzwerk ist beeindruckend: Viele Gründerinnen berichten, dass sie durch den Austausch neue Motivation finden, wichtige Kontakte knüpfen und ihr Geschäftsmodell schärfen konnten. Auch Investor:innen zeigen wachsendes Interesse an vielfältig aufgestellten Teams, was ein hoffnungsvolles Signal ist.

Wir brauchen geschützte Räume, in denen Gründerinnen Erfahrungen austauschen können, ohne Vorurteile oder strukturelle Benachteiligung fürchten zu müssen. Gleichzeitig sollten Förderprogramme Diversität ausdrücklich als Auswahlkriterium berücksichtigen, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

Jetzt handeln – für eine faire und erfolgreiche Energiewende

Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Politik, Wirtschaft, Investor:innen und Gesellschaft sollten gemeinsam dafür sorgen, dass die Gestalter:innen dieser Transformation so vielfältig wie möglich sind. Das bedeutet: gezielte Förderungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum, neue Vorbilder und mehr Sichtbarkeit für Gründerinnen.

Unternehmen können ihre eigene Förderkultur kritisch hinterfragen: Wen lassen wir pitchen? Wie divers sind unsere Panels, unsere Netzwerke, unsere Führungsetagen? Mentoring-Programme, Diversitätstrainings und klare Zielvorgaben können hier entscheidende Fortschritte bringen.

Die Politik sollte Förderbedingungen schaffen, die gezielt auch weibliche Gründer:innen adressieren. Investoren wiederum können Diversität in ihre Auswahlprozesse integrieren und so bewusst neue Erfolgsmuster fördern. Mehr Vielfalt heißt am Ende auch mehr Stabilität und Innovationskraft im Markt.

Energie als Gemeinschaftsaufgabe

Die Energiewende wird uns nur gelingen, wenn wir sie gemeinsam gestalten. Diversität darf dabei kein nachgeordnetes Thema sein, sondern gehört ins Zentrum aller strategischen Entscheidungen. Ich bin überzeugt: Nur wenn wir die Perspektiven von Gründerinnen*, von Menschen mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen einbeziehen, schaffen wir eine faire und erfolgreiche Transformation des Energiesystems.

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Karin Klaus

Als Geschäftsführerin von Enpulse Ventures, dem Venture Studio des Energieversorgers EnBW, treibt Klaus die Energiewende voran. Die Start-up-Expertin arbeitet an der nachhaltigeren Zukunft, hilft dem Auf- und Ausbau des Gründergeistes in Deutschland – Branchentrends erkennen, in junge Gründerteams und Start-ups investieren und diese mit Ressourcen und Know-how ausstatten. Klaus setzt sich aber nicht nur für nachhaltige Geschäftsmodelle ein, sondern engagiert sich auch aktiv für mehr Diversität in der Energie- und Startup-Szene.

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