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Mobilität von morgen: Fahren wir bald auf Solarstraßen?

Die Idee Radwege und Straßen mit Solarzellen zu versehen, ist nicht neu. Ein Start-up aus den Niederlanden, SolaRoad, hat bereits gezeigt, dass es funktioniert. Ein anderes Start-up, Solar Roadways, aus den USA hat 2,2 Mio. Euro über Crowdfunding eingesammelt, um ebenfalls einen Parkplatz mit Solarpanelen zu bestücken. Beide haben den Beweis erbracht, dass die Idee realisierbar ist. Auch in Deutschland gibt es Pioniere, die daran arbeiten, Solarstraßen Realität werden zu lassen. 

Einer dieser Pioniere ist Donald Müller-Judex, Gründer der Solmove GmbH. Technewable hat ein Gespräch mit ihm geführt, in dem er sich zu den Chancen und Potenzialen solarbetriebener Verkehrswege äußert. Seine Vision ist die Verbindung von Elektromobilität mit Solarstraßen.  

Herr Müller-Judex, wie ist die Idee zu Solmove entstanden?

Die Idee zu Solmove entstand 2009 bei einer Radtour durchs Allgäu. Ich war auf der Suche nach einer geeigneten Dachfläche, die ich zum Betreiben einer PV-Anlage mieten wollte. Leider konnte ich damals keine passende Dachfläche mehr finden. Auf allen in Frage kommenden Dächern waren bereits PV-Anlagen installiert. Da habe ich mir gedacht, warum nicht Straßen, Gehwege, öffentliche Plätze oder Fahrradwege für die Energieerzeugung nutzen. Schließlich scheint auf diesen auch den ganzen Tag die Sonne. So ist die Ursprungsidee entstanden.

Aber dabei blieb es nicht?

Das ist richtig, denn in Verbindung mit Elektroautos macht die Idee noch viel mehr Sinn. Schaut man sich die verfügbare Fläche in Deutschland an, könnten 20 Mio. Elektroautos mit dem Strom, der über Solarstraßen gewonnen wird, betrieben werden. Und was nützt mir ein Elektroauto, wenn die Reichweite begrenzt ist und die Fahrzeuge, wie derzeit geschieht, nur innerstädtisch genutzt werden. In Zukunft muss also sichergestellt sein, dass Elektrofahrzeuge mit sauberem Strom aus erneuerbaren Energiequellen überall genutzt werden können. Solmove entwickelt somit die Infrastruktur für die Elektromobilität von morgen. Wir wissen ja bereits heute, dass das Erdöl eine begrenzte Ressource ist, dessen Gewinnung immer schwieriger und teurer wird und dessen Nutzung extrem umweltschädigend ist.

Und wie ging es dann weiter?

2012 erfolgte der Schritt zur aktiven Umsetzung. Es wurden Partner ins Boot geholt und gemeinsam mit ihnen ein Prototyp gebaut. Im Jahr 2014 erfolgte die Firmengründung gemeinsam mit Andreas Horn als Partner. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) will eine Studie beauftragen, um die Risiken besser einschätzen zu können. Daran werden wir mitarbeiten. Die Sicherstellung der Finanzierung der Solmove GmbH ist dann der nächste Schritt, bevor wir mit der Entwicklung der Technologie weiter machen können.

Wann, meinen Sie, wird es die erste Solarstraße in Deutschland geben?

Die Basistechnologie ist bereits entwickelt und erste Belastungstests waren erfolgreich. 2017 soll der erste Praxistest auf einem Parkplatz der Gemeinde Inning am Ammersee erfolgen. Unser Ziel ist in zwei Jahren den ersten Parkplatz und hier vor allem die Zufahrtsflächen mit unseren Modulen zu belegen. Der Parkplatz wird weiterhin normal genutzt. Somit ist die erste Straße in den kommenden zwei Jahren geplant.

Was ist aktuell die größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung ist derzeit noch die Finanzierung. Je schneller wir eine Finanzierung erreichen, desto schneller können wir auch mit der Umsetzung beginnen. Somit würde alles viel schneller gehen, wenn sich Investoren und Firmen für die Produktentwicklung finden.

Bis die erste Straße gebaut wird, liegt also noch ein Stück Arbeit vor Ihnen und hängt erstmal alles von der weiteren Finanzierung ab. Wie hoch ist denn Ihr gegenwärtiger Kapitalbedarf und wie wollen Sie das Vorhaben finanzieren? Kommt für Sie auch Crowdinvesting bzw. Crowdfunding in Frage, wie es das Start-up Solar Roadways aus den USA vorgemacht hat?

Im Moment gehen wir von einer Investitionssumme in Höhe von rd. 3 Mio. Euro aus. Derzeit sind wir auf Investorensuche und suchen noch Entwicklungspartner. Crowdfunding und Crowdinvesting sind in der Tat interessante Finanzierungsoptionen, mit denen ich mich beschäftigt habe. Ja und die Amerikaner haben gezeigt, dass es funktionieren kann. Allerdings sind wir skeptisch, ob sich auch hierzulande eine Summe in der Höhe einsammeln lässt. Wir haben uns daher erst mal entschieden, den klassischen Weg einer Start-up Finanzierung zu gehen.

Haben Sie bereits Erfahrung mit der Gründung von Start-ups?

Ja, die habe ich. In der Vergangenheit habe ich bereits zwei innovative Firmen gegründet. Dennoch ist jedes Gründungsvorhaben anders und hat eigene Herausforderungen.

Nochmal zu den beiden anderen Solarstraßenprojekten. Das sind ja ebenfalls Projekte, die die horizontale Photovoltaik einsetzen. Worin unterscheiden sich die einzelnen Projekte? Was ist das Besondere bei Ihrem Vorhaben?

Der 70 Meter lange Radweg von SolaRoad in Holland ist toll. Ich habe ihn mir angeschaut. Die Holländer beweisen, dass Nutzflächen integrierbar sind. Ihr Solarbelag integriert sich in das optische Erscheinungsbild. Den Solarradweg nimmt man als solchen nicht wahr. Das ist ein wichtiger Punkt und sorgt für Akzeptanz bei der Bevölkerung. Der Nachteil bei den Holländern ist, sie verbauen große und starre Module. Das bedeutet, dass jedes Modul einzeln verankert werden muss. Dazu wird entsprechendes Baugerät, wie beispielsweise Schwerlastkräne benötigt. Das macht die Montage aufwendig und teuer. Zudem kann man mit viereckigen Modulen keine Kurven machen, was aber wichtig ist.

Wir haben das Problem gelöst, indem wir eine Art Solarteppich entwickelt haben. Dieser lässt sich ähnlich wie bei Rollrasen auf bestehende Straßen, Gehwege und Plätze ausrollen. Der Teppich wiederum besteht aus Fliesen bzw. Kacheln, die durch ein Gewebe miteinander verbunden sind. Er ist dadurch flexibel und ermöglicht, den natürlichen Krümmungen eines Weges zu folgen. Das Gesamtsystem ist dadurch biegsam. Es lässt sich einfach montieren, indem er auf bereits vorhandene Flächen ausgerollt wird. Zwischen dem Asphalt und dem Solarteppich wird Füllmasse, eine Art Gummiasphalt, integriert. Insgesamt verringert sich damit der Montageaufwand und können bestehende Flächen genutzt werden.

Worin bestehen die technischen Herausforderungen für Ihr Projekt?

Zwei Schwachpunkte gibt es bei Solarstraßen. Glas ist zunächst glatt. Zum anderen lagert sich auf der Oberfläche Schmutz ab, was den Wirkungsgrad dieser beeinflusst. Für beides gibt es Lösungen, um die Oberfläche rutschfest zu machen und den Schmutz zu beseitigen. Die Solarzellen sind so konstruiert, dass sich mittels Photokatalyse Selbstreinigungseffekte einstellen. Das Verfahren wird bereits in verschiedenen Industrien, wie beispielsweise in der Keramikindustrie eingesetzt. Die Oberfläche wird hydrophob, d.h. wasserabweisend. Sobald es regnet, wird die Fläche gut gereinigt. Zusätzlich können zur Schmutzbeseitigung Reinigungsgeräte zum Einsatz kommen, wie sie bereits heute im Straßenbetrieb üblich sind.

Wo sehen Sie die größten Potenziale für die horizontale Photovoltaik? Was sind die am vielversprechendsten Einsatzbereiche?

Viele denken bei Solarstraßen an Autobahnen. Doch die haben wir vorerst nicht im Sinn. In Deutschland gibt es 530.000 km sonstige Straßen. Desto kleiner eine Straße ist, desto besser ist sie als Solarstraße geeignet. Bei Autobahnen sind eher die Seitenstreifen geeignet. Hier muss man nur auf die Verschattung achten und entsprechende Bereiche aussparen.

Großes Potenzial bietet auch das Streckennetz der Bahn. Hier stehen deutschlandweit rund 33.000 km Bahnstrecke zur Verfügung. Auf diesen könnte Strom erzeugt werden. Es wäre dann genügend Energie vorhanden, um 23 Prozent ihres Strombedarfs zu decken. Auch im Bereich des Güterverkehrs gäbe es potenziell viele Flächen. Somit ergeben sich für die Technologie viele Einsatzbereiche, die auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich sind.

Welche Chancen bestehen, dass die horizontale Photovoltaik dort auch zum Einsatz kommt?

Bei der Bahn ist es gegenwärtig schwer überhaupt einen Zugang zu finden. Das Unternehmen zeigt sich für solche Innovationen nicht besonders empfänglich. Ganz anders sieht es bei den Kommunen aus, die über einen Großteil des öffentlichen Straßennetzes verfügen. Hier ist das Interesse groß.

Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Vorhandene Flächen können doppelt genutzt werden und die Solarstraßen beeinträchtigen das Landschaftsbild nicht. Die Akzeptanz der Bevölkerung ist ein entscheidendes Moment. Solarstraßen könnten zudem für Kommunen ein interessantes Modell zur Refinanzierung des Straßenbaus werden. Zudem sind Kommunen aktive Akteure der Energiewende. Hier erlebt man viel Aktion, beinahe mehr als auf bundespolitischer Ebene. Kommunen sind jedoch chronisch unterfinanziert. Sie müssen Einfallsreichtum entwickeln, um ihre Einnahmen zu steuern und die Ausgaben unter Kontrolle zu behalten. Für sie besteht ein großer Bedarf und die Solarstraßen bieten ihnen Chancen.

Durch die Einrichtung von Public-Private-Partnerchip (PPP) Initiativen können verschiedene Akteure ins Boot geholt werden, wie Investoren, Betreiber und die Gemeinden. Die Gemeinden stellen im Prinzip nur die Flächen zur Verfügung, indem sie sie verpachten. Das bringt ihnen Einnahmen, die sie für die Instandhaltung der Straßen nutzen können. Kommunen haben hier sehr viele Flächen, die sie für die Verpachtung nutzen können. Das sind neben Straßen ebenso Parkplätze und öffentliche Plätze. Dadurch werden sie finanziell entlastet.

Kombiniert man diese noch mit moderner LED-Technologie können die Straßen ebenfalls zur Beleuchtung genutzt werden. Damit ließen sich zusätzlich Energieeinsparpotenziale realisieren, denn auch die Versorgung mit Licht und die Bereitstellung der Lichtinfrastruktur sind Kosten für Kommunen. Zugleich könnte die Sicherheit in Orten erhöht werden. Und es ermöglicht Regionen eine autonome Energieversorgung. In jüngster Zeit haben sich viele Energiegenossenschaften gebildet, bei denen der lokal erzeugte Strom seine Abnehmer direkt vor Ort findet.

Solarstraßen wären neben Windrädern und Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen eine willkommene Alternative. Denn der Ausbau von Windkraftanlagen und Solaranlagen stößt zunehmend an seine Grenzen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Mit den Solarstraßen würden bereits vorhandene Flächen genutzt werden können. Sie integrieren sich problemlos in das Städte- und Landschaftsbild.

Das sind ja eine ganze Reihe Vorteile und Einsatzbereiche. Für wen könnte die horizontale Photovoltaik noch interessant sein?

Solarstraßen können für die Photovoltaikbranche ein neuer Impuls sein. Insgesamt ist das Flächenpotenzial größer als bei den Dächern. Es gibt mehr horizontale Flächen, als Dachflächen. Zwar ist der Wirkungsgrad bei den horizontalen Flächen zugegebener Maßen nicht so gut, aber dieser ist nicht allesentscheidend. Zum einen wird der technische Wirkungsgrad von Solarzellen kontinuierlich verbessert. Zum anderen ist die wirtschaftliche Akzeptanz wichtiger. Die Kommunen interessiert weniger, ob ein Solarmodul 10, 15 oder 20 Grad Wirkungsgrad hat, wenn sich mittels Solarstraßen der Straßenbau refinanzieren lässt und die Straßen auf die Weise Einnahmen generieren, anstelle von Ausgaben.

Was ist Ihre persönliche Vision für die Zukunft in Bezug auf das Vorhaben?

Meine persönliche Vision sind Solarstraßen, die Strom gleich wieder zum Fahren von Elektroautos abgeben. Das Verfahren nennt sich Induktion und gibt es bereits. Es wird im Privatkonsumerbereich, zum Beispiel bei elektrischen Zahnbürsten oder in der Industrie für das automatisierte Fahren von Gabelstaplern verwendet. Warum es also nicht auch für das Fahren von Elektroautos auf Solarstraßen nutzen? Damit ließe sich eines der großen Probleme der Elektromobilität lösen, die begrenzte Reichweite. Derzeit finden ja Elektroautos vor allem in Innenstädten mit kurzen Strecken Einsatz. Meine Vision ist, dass Elektroautos in Zukunft den Strom tanken, während sie fahren. Bis sich diese Technologie etabliert haben wird, werden sicher noch schätzungsweise 20 bis 30 Jahre vergehen. Aber die ersten Test-Strecken werden wir in den nächsten 3 bis 5 Jahren haben.

Und wie sind Sie auf den Namen Solmove gekommen, wofür steht er?

Der Name Solmove steht für „Sol“- die Sonne und „Move“ – für Bewegung. Wenn man es wörtlich übersetzt heißt es „von der Sonne bewegt“. Damit verbindet sich die Vision, Solarstraßen zu bauen, die Mobilität ermöglichen und langfristig erhalten. Eins ist klar, die Ölreserven auf dem Planeten sind begrenzt. Langfristig wird unsere Mobilität auf Strom bzw. Elektrizität beruhen. Doch Elektroautos, die mit Strom aus Kohle oder Öl fahren, erzeugen noch viel mehr Dreck und Emissionen. Solarstraßen tragen dazu bei, dass wir uns in Zukunft sauber bewegen können.

Herr Müller-Judex, herzlichen Dank für das Gespräch.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft!

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Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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