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Energiewende im deutschen Verteilnetz: Wie ist der Status Quo? 

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Energiewende: Nur 13 Prozent der Verteilnetzbetreiber haben Digitalisierung abgeschlossen

Lediglich 13 Prozent der deutschen Verteilnetzbetreiber haben aus ihrer Sicht die Digitalisierung abgeschlossen – angesichts der zentralen Rolle der Netze für das Gelingen der Energiewende eine alarmierende Bilanz. Denn steigende regulatorische Anforderungen, die zunehmende Komplexität im Netz sowie der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien setzen die Netzbetreiber unter Druck: die Automatisierung und Digitalisierung der Netze ist unerlässlich, um die Effizienz, Leistungsfähigkeit und Ausfallsicherheit der Stromnetze auch in Zukunft zu gewährleisten. 

Eine aktuelle Studie des Kölner Smart-Grid-Spezialisten envelio beleuchtet den Status quo der Digitalisierung bei knapp 70 deutschen Verteilnetzbetreibern und zeigt neben Schwachstellen auch Potenziale auf, die es zu erschließen gilt. 

Warum die Digitalisierung unverzichtbar ist

Seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 hat sich das deutsche Stromnetz grundlegend verändert. Der ehemals einseitige Stromfluss von zentralen Kraftwerken zu den Verbrauchern wird heute durch eine wachsende Zahl dezentraler Erzeuger und Verbraucher wie Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Ladesäulen geprägt. Der Anteil erneuerbarer Energien hat sich seit der Jahrtausendwende verfünffacht, was zu einer höheren Volatilität in der Einspeisung führt und neue Anforderungen an das Netz stellt. Gleichzeitig erfordert die wachsende Komplexität des Energiesystems, gepaart mit dem Fachkräftemangel in der Energiewirtschaft, die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen wie Netzanschluss, -betrieb und -planung. 

Smart Grids – intelligente Stromnetze – bieten eine Lösung für diese zunehmende Komplexität. Sie ermöglichen die Vernetzung von Erzeugern, Verbrauchern und Speichern, um lokale Last- und Erzeugungsschwankungen auszugleichen und die Netzstabilität zu gewährleisten. Diese Technologie ist entscheidend für die erfolgreiche Integration erneuerbarer Energien und den effizienten Transport des Stroms. 

Die Energiewende benötigt Smart Grids und smart Grids benötigen digitale Technologien und Lösungen. Infografik verdeutlicht Zusammenspiel zwischen Verbraucher, Erzeuger, Speicher, Netze und Energiemanagement.
Alles vernetzt: Die Zutaten in einem Smart Grid sind Erzeuger, Verbraucher, Speicher, Netze und Energiemanagement Bild: envelio GmbH

Der Status quo: Fortschritte und Defizite

Die Ergebnisse der Studie zeichnen ein gemischtes Bild: Die Digitalisierung der deutschen Verteilnetze befindet sich noch in einem frühen Stadium. Über die Hälfte der befragten Netzbetreiber schätzt ihren Digitalisierungsgrad auf weniger als 50 Prozent. Nur 17 Prozent verfügen über die Möglichkeit, Echtzeitdaten auf allen Spannungsebenen zu nutzen, und lediglich 23 Prozent haben den Netzanschlussprozess vollständig digitalisiert. Darüber hinaus gibt es Defizite bei der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben: So haben 43 Prozent der Unternehmen die Integration steuerbarer Verbraucher gemäß Paragraph 14a EnWG trotz der gesetzten Frist noch nicht abgeschlossen. 

Die größten Herausforderungen

Erstaunlicherweise liegen die größten Hindernisse für die Digitalisierung innerhalb der Unternehmen selbst: Fehlendes IT-Know-how (60 Prozent), mangelnde Akzeptanz in der Belegschaft (49 Prozent) und begrenzte personelle Ressourcen (49 Prozent) werden als Hauptprobleme genannt. Auch die technologische Integration stellt für 65 Prozent der Befragten eine große Hürde dar. 

Externe Faktoren wie fehlende finanzielle Mittel (18 Prozent) oder eine unzureichende Verfügbarkeit von Technologien (22 Prozent) spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. Dies unterstreicht, dass die Digitalisierung weniger an äußeren Rahmenbedingungen scheitert, sondern vielmehr an der internen Umsetzung. 

Lösungsansätze: Kooperation und neue Anreize

Die Studie verdeutlicht, dass Netzbetreiber die Herausforderungen nicht allein bewältigen müssen. Kooperationen, der Austausch von Wissen und die Zusammenarbeit mit externen Partnern können wichtige Impulse liefern. „Mit der richtigen Unterstützung und bewährten Methoden können Netzbetreiber die Transformation erfolgreich meistern“, betont Simon Koopmann, CEO von envelio. 

Darüber hinaus erfordert der regulatorische Rahmen eine Anpassung. Derzeit werden Investitionen in physische Infrastruktur (Capex) bevorzugt, während Digitalisierungsmaßnahmen häufig als laufende Betriebskosten (Opex) verbucht werden. Um Innovationen wie Softwarelösungen voranzutreiben, sind neue Anreizsysteme notwendig. 

Der Blick in die Zukunft: Chancen für eine nachhaltige Transformation

Die Digitalisierung der Verteilnetze ist weit mehr als eine technische Herausforderung – sie birgt enorme Chancen. Denn intelligente Netze, die in der Lage sind, Prozesse digital und automatisiert abzuwickeln, steigern nicht nur die Effizienz und die Versorgungssicherheit, sondern beschleunigen auch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich: Der Wille zur Veränderung ist vorhanden. Mit einem klaren Fokus, gezielten Maßnahmen und der Bereitschaft, neue Wege zu gehen, können Netzbetreiber die Energiewende aktiv gestalten und einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten. 

Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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