Du betrachtest gerade Interne Mobilität: Lastenräder als Werksfahrräder in der Industrie

Interne Mobilität: Lastenräder als Werksfahrräder in der Industrie

[responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Beitrag anhören"]

Gastbeitrag: Thomas Herzog, CEO von VSC.Bike GmbH und Pendix GmbH

Mobilitätslösung, die die interne Mobilität effizienter macht

Die gewohnten Mobilitätslösungen in Fabrikanlagen und auf großen Firmengeländen wie Pkw, Transporter oder Elektrokarren stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Steigende Energiepreise, Platzprobleme und Effizienzanforderungen machen es notwendig, über neue Transportlösungen nachzudenken. Eine Antwort auf diese Fragen geben Lastenräder. Sie ermöglichen den schnellen, flexiblen und kostengünstigen Transport von Materialien und erhöhen die Mobilität des Personals innerhalb großer Werksgelände. Ein Praxisfall untermalt dies.

Fahrräder in der Industrie – Renaissance durch E-Mobilität

Was die interne Logistik erschwert

Die industrielle Produktion ist ein komplexes Zusammenspiel aus Menschen, Maschinen, Prozessen und Materialflüssen. Viele Unternehmen fertigen auf Werksgeländen, die mehrere hunderttausend oder sogar Millionen Quadratmeter umfassen können. Das bringt Anforderungen mit sich: Mitarbeitende müssen in ihrer Schicht mehrfach von einer Halle zur anderen gelangen. Techniker bewegen sich zwischen Produktionsanlagen, Logistikkräfte liefern Bauteile an und die Instandhaltung ist ständig an unterschiedlichen Orten im Einsatz, um Reparaturen vorzunehmen. Dabei zählt meist jede Minute; Verzögerungen können im Worst Case zu Produktionsengpässen und finanziellen Verlusten führen.

Die klassische Werkslogistik gerät an Grenzen

Etwa in der Automobil-, Elektro- und Maschinenbauindustrie ist die interne Logistik eine entscheidende Stellschraube zur Effizienzsteigerung. Wege zwischen Produktionshallen, Werkstätten, Lagern und Verwaltungsgebäuden nehmen oft unnötig viel Zeit in Anspruch. Lange Strecken zu Fuß zurückzulegen, kann etwa wertvolle Arbeitszeit kosten. Daher kommen oft Lösungen wie Verbrennerfahrzeuge oder Elektrokarren zum Einsatz. Diese sind allerdings teuer in der Anschaffung, benötigen viel Platz und sind oft überdimensioniert für kurze Strecken oder schmale Bereiche. Zudem verursachen sie Emissionen oder hohe Energiekosten. Verbrenner können häufig aus Rücksichtnahme auf die Luftqualität indoor ohnehin nicht eingesetzt werden.

Heutige Lastenräder bieten einen Ausweg

Fahrräder funktionieren hingegen emissionsfrei und wurden in der Vergangenheit immer wieder auch in Industriebetrieben genutzt. Sie waren aber lange Zeit für viele Aufgaben nicht einsetzbar, da reine Muskelkraft oft nicht ausreicht, um schwerere Lasten zu transportieren. Zudem boten klassische Räder meist nicht genügend Transportkapazität. Hier setzen moderne Lastenräder mit Elektro-Unterstützung an. Sie bieten eine passende Kombination aus Mobilität, Flexibilität und Nachhaltigkeit und erfüllen einige zentrale Bedarfe der internen Fertigungslogistik. Welche sind das?

Anforderungen an industriell genutzte Lastenräder

E-Lastenbikes können im Werksverkehr nutzbringend eingesetzt werden, da sie in der Regel folgenden Anforderungen genügen:

Hohe Traglast: Lastenräder müssen in der Lage sein, Werkzeuge, Materialien oder Ersatzteile sicher zu transportieren. Eine Traglast von 200 kg und mehr wird oft vorausgesetzt.

Robuste Bauweise: Die industrielle Umgebung ist oft anspruchsvoll. Rahmen, Reifen, Bremsen und Anbauteile müssen entsprechend widerstandsfähig sein.

E-Antrieb mit großer Reichweite: Die elektrische Unterstützung erleichtert den Transport schwerer Lasten. Allerdings sollte nicht permanent geladen werden müssen. Eine Reichweite von mindestens 50 km pro Akkuladung ist ideal.

Sicherer Transport: Spezielle Transportboxen oder Halterungen sorgen für die schonende Beförderung von Werkzeugen oder empfindlichen Bauteilen.

Kompakte Bauweise: Die Räder müssen in engen Produktionshallen oder schmalen Gängen manövrierfähig sein.

Einfache Handhabung: Mitarbeitende sollten ohne lange Einweisung mit den Lastenrädern umgehen können.

Geringe Wartung: Trotz der regelmäßigen hohen Beanspruchung sollte die Technik langlebig und wartungsarm sein.

Werksfahrräder – mehr als nur Personentransport

Ein großes Automobilwerk mit mehreren tausend Mitarbeitenden stand vor wachsenden Aufgaben bei der innerbetrieblichen Mobilität. Die Wege zwischen den Montagehallen, Lagern und Werkstätten sind weit, der Platz in den Produktionsstätten oft eng. Dennoch müssen der Materialtransport effizient und der Zeitaufwand für die Mitarbeitenden möglichst gering gehalten werden.

In der Vergangenheit waren Elektrokarren und Kleintransporter die bevorzugten Transportmittel, die allerdings viel Platz und Energie brauchen und nicht jeden Ort in der Montagehalle erreichen. Um die Produktionsprozesse nicht zu belasten, werden jedoch angefragte Teile in der Montage direkt und ohne unnötige Verzögerungen am jeweiligen Arbeitsplatz benötigt. Daher unterstützen in dem Werk zunehmend E-Lastenräder.

Um sich die Anforderungen zunächst einmal genauer vorstellen zu können, hilft es, sich die Dimensionen der Produktionsstätte vor Augen zu führen: Das Werk gleicht mit seiner Fläche im Bereich von Millionen Quadratmetern einer Stadt. In dieser Umgebung müssen täglich Werkzeuge, Ersatzteile und Material transportiert werden, oft auf Strecken von mehreren Kilometern. Werksfahrräder haben beim Automobilhersteller deshalb zwar schon länger Tradition – es gibt mehrere Tausend am Standort – sie wurden in der Vergangenheit aber meist zum Personentransport eingesetzt.

Aus der Praxis: Lastenräder als Lösung in der Automobilproduktion

Die Nutzung von elektrifizierten Lastenrädern ist hingegen noch relativ jung. Dies begann mit der Zusammenarbeit mit VSC.BIKE. Das Unternehmen aus dem sachsen-anhaltischen Allstedt lieferte zunächst Modelle ohne E-Antrieb. Die Elektrifizierung kam jedoch bereits kurze Zeit später, als das VSC-Partnerunternehmen Pendix seine ersten Nachrüst-Antriebe für die bestehenden Lastenräder lieferte. Später wurden gezielt VSC-Räder vom Automobilwerk geordert, die bereits mit dem nachrüstbaren E-Antrieb versehen waren.

Sicherer Workflow in der Montagehalle

Die elektrisch unterstützten Lastenräder kommen beispielsweise im Montagebereich der Fabrik zum Einsatz. Hier geht die Arbeit der Mitarbeitenden Hand in Hand mit der von Robotern; der Automatisierungsgrad liegt bei fast einem Drittel. Entsprechend strikt sind die Prozesse durchgetaktet. Das betrifft auch die Lieferung von Teilen: Kommt eine Bestellung von einem Kollegen, einer Kollegin an, muss der jeweilige Mitarbeitende sie ohne Zeitverzug direkt an den entsprechenden Arbeitsplatz liefern.

Die Strecke kann dabei bis zu einem Kilometer auf engen, vorgegebenen Wegen betragen. Die Lastenräder mit Nachrüst-Elektroantrieb sorgen hier für Schnelligkeit und erleichtern den Mitarbeitenden den Transport der Teile deutlich, von denen jedes einzelne nicht selten mehrere Kilo auf die Waage bringt. Die bessere Ergonomie, die Agilität und das Handling sind wichtige Kriterien für den Einsatz der Elektro-Bikes.

Weggefährte bei Wartungsaufgaben

Auch beim Wartungsteam des Werks sorgen die Lastenräder mit dem Nachrüst-Antrieb für fließende Prozesse und mehr Ergonomie. Hier müssen die Mitarbeitenden beispielsweise Reparaturen an den Tischen und Regalen der einzelnen Arbeitsplätze in den Montagehallen vornehmen. Der reibungslose Ablauf der Montageprozesse hängt letztlich auch vom einwandfreien Zustand der Arbeitsplätze ab. An bis zu zehn unterschiedliche Einsatzorte wird der jeweilige Servicetechniker pro Tag gerufen und muss zeitnah Reparaturen oder Wartungen durchführen.

Durch die Weitläufigkeit der Anlage kommen an einem Arbeitstag schnell bis zu zehn Kilometer Wegstrecke zusammen. Natürlich muss das entsprechende Werkzeug immer mit dabei sein. Mehr als 20 Kilogramm wiegt es in der Regel. Auch hier sind schnelle und zugleich mitarbeiterschonende Einsätze ohne die elektrischen Lastenräder schwer vorstellbar.

Damit die Räder selbst immer in einwandfreiem Zustand und permanent verfügbar sind, wurde in der Fabrik eine eigene Fahrradwerkstatt eingerichtet. Hier sorgen mehrere Mitarbeitende nicht nur für regelmäßige Wartungen und Reparaturen, sie passen die Räder auch an neue Prozesse am Produktionsstandort an. Etwa, wenn sich an den eingesetzten Transportboxen etwas ändert oder weitere Räder mit einem Nachrüst-Antrieb ausgestattet werden sollen. Damit für die nötigen Arbeiten immer das entsprechende Material verfügbar ist, liefern VSC.BIKE und Pendix regelmäßig ausreichende Mengen an Ersatz- und Bauteilen.

Robuste, ergonomische Räder als Voraussetzung

Die Basis für die beim Automobilproduzenten im Einsatz befindlichen Lastenräder bildet ein Zustellrad, das sonst aufgrund seiner Stabilität und hohen Traglast vor allem bei Postbetrieben im In- und Ausland zum Einsatz kommt. Um den Anforderungen im Automobilwerk allerdings noch stärker zu genügen, wurden einige Anpassungen vorgenommen.

Dazu gehört ein Mittelständer mit Federunterstützung, durch den das Aufbocken auch beim beladenen Lastenrad den jeweiligen Mitarbeitenden kaum Kraft kostet. Zudem sind die Bikes vorne und hinten mit Transportkörben ausgestattet, die in ihren Abmessungen speziell an die Erfordernisse des Automobilherstellers angepasst sind.

Voraussetzungen und Potenziale von Werks-Lastenrädern

Die Bedingungen vor Ort müssen stimmen

Das Praxisbeispiel zeigt, wie Lastenräder mit und ohne E-Antrieb die Prozesse in einer großen Industrieanlage unterstützen können. Ein wichtiger Aspekt bei der Einführung der Lastenräder ist jedoch die passende Infrastruktur. Um deren nahtlose Integration zu ermöglichen, müssen Abstellplätze geschaffen und Ladestationen für die Akkus platziert werden. Zudem ist gerade für die Sicherheit der Mitarbeitenden ein vorgegebenes Wege- und Verkehrsnetz wichtig – auch in den Produktionshallen. Eine interne Fahrradwerkstatt ist ebenfalls eine gute Voraussetzung, um sicherzustellen, dass alle Räder regelmäßig gewartet werden und jederzeit einsatzbereit sind. Diese Maßnahme ist jedoch nicht zwangsläufig nötig, hier kann auch ein im Aftersales und Service gut aufgestellter Lieferant von Lastenbikes unterstützen.

Wird die Einführung und Integration der Lastenräder effektiv gemanagt, bieten die Fahrzeuge im Werksalltag häufig nicht nur eine Zeitersparnis und mehr Ergonomie, sondern auch eine deutliche Kostensenkung. Lastenräder sind in der Regel wartungsarm und günstig im Betrieb. Zudem ist ihr Stromverbrauch im innerbetrieblichen Transport im Vergleich zu anderen E-Fahrzeugen meist geringer.

Nutzungsmöglichkeiten weiter ausloten

Auch in der Werksverwaltung können sich Lastenräder als nützlich erweisen: Meetings in verschiedenen Gebäuden lassen sich damit ohne Zeitverlust umsetzen; benötigte Unterlagen und Technik leichter transportieren. Büroangestellte können die Räder zudem nutzen, um bei Bedarf schneller zu Abteilungen in anderen Häusern zu kommen – Papiere und Akten immer dabei. Selbst Führungskräfte könnten auf die Mobilitätslösung zurückgreifen, da sie eine unkomplizierte Alternative zum Werksfahrzeug oder zum Shuttle-Service darstellt.

Werden E-Lastenräder großflächig im Werk genutzt, sollte der Einsatz weiter optimiert werden. Dabei kann etwa eine digitale Buchungslösung helfen, mit der Mitarbeitende die Räder gezielt für bestimmte Einsätze reservieren können. Das vermeidet Engpässe und Überschneidungen zwischen einzelnen Abteilungen und Bereichen. Der Einsatz unterschiedlicher Modelle mit verschiedenen Transportkapazitäten sorgt überdies für die noch stärkere Anpassung der Räder an die einzelnen Einsatzgebiete.

Thomas Herzog ist gelernter Automobilkaufmann und absolvierte sein Studium in Industrial Management and Engineering an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Bereits während seines Studiums sammelte er wertvolle Erfahrungen im Fahrzeugbau: Gemeinsam mit dem späteren Gründerteam von Pendix konstruierte er vier Jahre lang Rennfahrzeuge für das Formula Student Projekt – seit 2010 ausschließlich als Elektrofahrzeuge.

Aus dieser Leidenschaft entstand die Idee, nachhaltige elektrische Fahrradantriebe zu entwickeln. Seit 2015 ist Pendix mit diesen innovativen Lösungen erfolgreich auf dem internationalen Markt vertreten.

Seit 2019 finden sich die Pendix-Antriebe auch in den Produkten von VSC.Bike. 2022 übernahm Thomas Herzog gemeinsam mit Christian Hennig die Geschäftsführung der VSC.Bike GmbH.

Schreibe einen Kommentar