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Europas Innovationsökosystem für nachhaltige Energie

Einzellösungen in ein Gesamtökosystem integrieren

“Innovative Technologien und Start-ups können sich besonders gut dann entfalten, wenn ihr Umfeld als Ganzes in sich stimmig ist und es bereit ist, Partikularlösungen aufzunehmen und zu integrieren. Start-ups und junge Unternehmen sind wie ein Mikro-Ökosystem, das sich aus Partnern, Kunden und Zulieferern zusammensetzt. In diese Mikro-Ökosysteme wirken Regelungen hinein. Sie betreffen jedoch jedes Start-up oder Unternehmen, das sich in einen Markt begibt oder in diesem agiert. Daher sind Branchen- und Marktkenntnisse für erfolgreiches Unternehmertum unerlässlich.” – so ein Statement aus dem Panel “Bottom-up Energiewende: Mythos oder Realität?” beim diesjährigen dena-Energiewende Kongress am 26. November 2018 im Congress Center Berlin.

Das Panel befasste sich mit der zentralen Frage, welche Rolle jungen Unternehmen und disruptiven Geschäftsmodellen bei der Transformation des Energiesystems zukommt. Einen Impuls dazu gab Thorsten Herdan, Leiter der Abteilung II Energiepolitik – Wärme und Effizienz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Er sprach darüber, welche innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen die Politik im Energiesektor herstellen kann.

An der Panel-Diskussion beteiligt waren neben Thorsten Herdan, Dr. Franka Birke, Geschäftsführerin der METR Building Management Systems GmbH, Dr. Christian Müller, CEO, InnoEnergy GmbH und Heiko von Tschischwitz, CEO, enyway GmbH. Moderiert wurde das Panel durch Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). Mit Dr. Christian Müller, CEO InnoEnergy Germany sprach ich im Anschluss über zentrale Faktoren zur Förderung von Innovationen im Energiesektor, welchen Beitrag das Innovationsökosystem InnoEnergy hierbei leistet, was aktuelle Themenschwerpunkte und Best-Practice-Beispiele für innovative Lösungen sind und welche politischen Ansätze Innovationen voranbringen können.

Im Interview mit Dr. Christian Müller, CEO InnoEnergy Germany

Was ist Kennzeichen und Mission von InnoEnergy?

Dr. Christian Müller: InnoEnergy ist ein Innovationsökosystem mit Fokus auf nachhaltiger Energie. Als Netzwerk und Accelerator im Bereich Energie und Mobilität ist es das größte seiner Art in Europa, wenn nicht gar weltweit. Unsere Kernaufgabe ist die Transformation im Energie- und Mobilitätssystem zu gestalten und den Markt mit neuen Lösungen zu bespielen. Dabei richtet sich unser Fokus auf Transformationsprozesse in verschiedenen Branchen. Mit unserem Netzwerk an Partnern unterstützen wir in ganz Europa in allen Phasen der Innovation – vom Ursprung bis hin zum Endkunden.

„Erfolgreiches innovatives Unternehmertum endet nicht beim Pflanzen eines Apfelbaums.“

Konkret sind wir in drei Bereichen aktiv. Dazu gehören Ausbildung, Innovationsprojekte und Business Creation Services, mit denen wir Start-ups und Unternehmen in ganz Europa fördern. Unser Ziel ist es, die Entwicklung marktreifer Lösungen durch ein fruchtbares Umfeld zu beschleunigen. Wenn wir das mit dem Bild eines Apfelbaums vergleichen. So reicht es eben nicht, nur den Apfelbaum zu pflanzen. Es stellt sich ebenso die Frage, was mit den Äpfeln nach der Ernte geschehen soll. Wie werden sie genutzt und zu was werden sie weiterverarbeitet? Je nachdem, ob daraus Saft, Marmelade oder Trockenobst hergestellt wird, braucht es für die entsprechende Weiterverarbeitung Partner und Abnehmer. All das sind Fragen, die ein Innovationsökosystem adressiert. Zudem benötigt der Baum auch Pflege, damit er weiterhin Früchte trägt. So verstehen wir unser Innovationsökosystem. Somit beschäftigen wir uns mit vielfältigen Fragen durch Einbindung von Partnern, um erfolgreiches innovatives Unternehmertum in ganz Europa zu befördern.

„Einzelkämpfer haben wenig Chance auf Erfolg.“

Auf welche Schlüsselkompetenzen kommt es Ihrer Meinung nach besonders bei der Umsetzung von Innovationen an?

Dr. Christian Müller: Um neue Lösungen in den Markt zu transportieren, werden vielfältige Fähigkeiten und Kompetenzen benötigt. Über diese verfügen einzelne Personen in aller Regel nicht. Daher kommt es sehr darauf an, mit anderen zusammen zu arbeiten. Das ist eine entscheidende Fähigkeit und Schlüsselkompetenz, der wir hohen Stellenwert beimessen. Hinzu kommt, dass Einzelkämpfer in der Regel weniger erfolgreich sind als Teams.

Unsere Aufgabe sehen wir darin, passende Partner zu identifizieren und sie gezielt anzusprechen. Dabei gehen wir aktiv auf sie zu. Doch wir initiieren nicht nur Austausch und vermitteln Partner. Wir adressieren gezielt Expertise und Branchenkenntnisse. Gleichzeitig bauen wir Brücken in den Markt und ermöglichen so innovativen Lösungen den Markteinstieg. Wenn beispielsweise ein Kompetenzträger aus Schweden einen Businesspartner in Deutschland sucht, dann findet er diesen über unser Netzwerk. Das funktioniert beim Markteintritt, bei der Suche nach einem Investor oder einem Entwicklungspartner. Hierbei nutzen wir insbesondere unser länderübergreifendes Netzwerk in Europa.

„Unser geografischer Mittelpunkt ist Europa.“

Zwar gab es auch bereits erfolgreiche Vermittlungen außerhalb Europas, beispielsweise in die USA und haben wir den Weg für den Markteintritt von Start-ups aus den USA nach Europa geebnet. Doch unser geografischer Fokus liegt auf Europa. Unser Ziel ist hier Innovationen systemisch zu integrieren und Start-ups bei ihrem Wachsen und Werden in allen Belangen zu unterstützen. Dabei fokussieren wir uns auf Fragen, wie beispielsweise das Team aufgestellt ist, was ihr Geschäftsmodell ist, wer Kunden und wer Lieferanten sind, welche Regulierungen eine Rolle spielen und welche Partner benötigt werden, um den Markteintritt erfolgreich zu meistern.

„TBB Business Booster ist das Event, bei dem sich unser Innovationsökosystem trifft.“

Wie kommen in einem europaweiten Netzwerk Start-ups und Netzwerkpartner in Kontakt und welche Formate zum Austausch untereinander gibt es?

Dr. Christian Müller: Bei unserem jährlich stattfindenden „TBB Business Booster“ Event kommen alle Mitglieder unseres Innovationsökosystems zusammen. Einmal im Jahr an wechselnden Veranstaltungsorten vorzugsweise in den Metropolen Europas haben Unternehmen, Investoren, Experten, Start-ups und Vertreter der Politik die Möglichkeit sich an zwei Tagen konzentriert auszutauschen.

Ein gezieltes Matching im Vorfeld des Events erleichtert dabei den Teilnehmern eine koordinierte Kontaktaufnahme. In diesem Jahr fand der TBB in Kopenhagen statt und für das kommende Jahr freuen wir uns auf Paris als Veranstaltungsort. Über den Business Booster hinaus gibt es für uns natürlich weitere Events und Möglichkeiten zum Austausch. Dies findet jedoch im Rahmen von den jeweiligen Projekten statt und wird von Teams unabhängig organisiert – der TBB bringt unser gesamtes Ökosystem konzentriert an einem Ort zusammen.

„Als eine Art ‚Innovationsstaubsauger‘ scannen wir Trends und Entwicklungen im Bereich Energie und Mobilität.“

Gibt es Schwerpunktthemen, mit denen sich InnoEnergy aktuell befasst?

Dr. Christian Müller: Im Grunde sind wir an allem interessiert, was es an neuen spannenden Entwicklungen im Umfeld von Energie und Mobilität gibt. Daher halten wir unsere Augen und Ohren überall offen und scannen quasi wie ein „Innovationsstaubsauger“ unser Umfeld. Thematisch interessiert uns gerade sehr, was im Bereich Smart Cities, Smart Building, Mobilität, Circular Economy und Speicher passiert.

Hinsichtlich letzt genannten hatten wir gerade einen weltweiten Call zum Thema „Electrical Storage“, bei dem wir über 200 Einsendungen erhielten. Eine gute Ausgangsbasis für unsere neu gestartete „Batterieallianz“, mit der wir Innovationen in den Bereichen Speicher, Batterien und Mobilität in den Markt pushen, um die Transformation der Autowirtschaft voranzutreiben. Intensiv befassen wir uns derzeit auch mit dem Thema „Clean Air“. In allen Bereichen arbeiten wir ergebnisorientiert und stellen ein breites Portfolio an Lösungen auf, welches wir zu bestimmten Themen adressieren.

„In unserem Innovationsökosystem gibt es eine Vielzahl an innovativen Lösungen.“

Welche drei besonders innovativen Lösungen von Start-ups fallen Ihnen zu den genannten Schwerpunkten auf Anhieb ein?

Dr. Christian Müller: Wenngleich es eine Vielzahl an innovativen Lösungen von Start-ups in unserem Innovationsökosystem gibt, fällt mir auf Anhieb das Start-up Vilisto aus Hamburg ein. Sie sind mit einer eher spezifischen Lösung im Gebäudesektor gestartet und haben sich im Bereich Energiemanagement von Gebäuden inzwischen breit aufgestellt. Ein weiteres Start-up mit einer interessanten Technologie ist Skeleton Technologies. Sie haben eine innovative Speicherlösung auf Basis von Graphen entwickelt. Letztes Jahr haben sie damit beim SET-Award der dena gewonnen. Ein weiteres Start-up für Energieinnovationen „Made in Europe“ ist HYGEN. Sie kommen ursprünglich aus Lettland und haben eine dezentrale Befüllungsanlage für Erdgas entwickelt. Das ist spannend für „Home-basierte Erdgas-Befüllungen“ und den Automobilitätssektor. Für ihren Markteintritt haben sie eine Kooperation mit VW gestartet.

„Drei Wünsche an die Politik: Mehr Offenheit, Ernsthaftigkeit und Mut Neues zu wagen.“

Wenn Sie drei Wünsche an die deutsche und europäische Klima- und Energiepolitik richten könnten. Welche wären das?

Dr. Christian Müller: Was ich mir von einer deutschen und europäischen Klima- und Energiepolitik wünsche ist erstens mehr Mut und Ambitionen in Hinblick auf innovative Lösungen im Bereich Energie und Mobilität – ihnen mehr Freiräume geben und sie beim großflächigen Ausrollen stärker zu unterstützen. Dazu sind mehr Innovationsökosysteme, wie unseres oder das der dena nötig, die an einer systemischen Integration und Umsetzung von innovativen Lösungen arbeiten.

Zudem sollten innovativen Lösungen und Newcomern mehr Ernsthaftigkeit entgegengebracht werden. Ihnen nicht nur Applaus zollen, sondern sie verstärkt auch bei der Umsetzung zu unterstützen, wäre hier ein weiterer Wunsch. Dazu müssten innovativen Lösungen mit mehr Offenheit begegnet und sie nicht erst ins Blickfeld rücken, wenn sie von etablierten Unternehmen aufgegriffen werden.

Ein Wunsch wäre auch, sicherzustellen, dass in einem beschleunigten innovativen Umfeld nicht nur einzelnen Partikularinteressen Gehör geschenkt wird. Vielmehr sollte dafür gesorgt werden, dass Innovationen sich schneller und in der Breite entfalten können. Erst abzuwarten bis ein Unternehmen mit einem gefestigten Geschäftsmodell auf den Zug einer Innovation aufspringt, entschleunigt das Innovationssystem und verhindert den Fokus auf neue Entwicklungen zu legen. Das birgt das Risiko in sich, grundlegende Weichenstellungen in der Transformation zu versäumen.

Herr Dr. Müller, vielen Dank für Ihre Zeit und das ausführliche Gespräch.

Das Gespräch erfolgte im Rahmen des dena-Kongress am Montag, den 26. 11.2018 und wurde im Anschluss daran telefonisch fortgesetzt.


Vorstellung von Dr. Christian Müller, CEO InnoEnergy Germany

Dr. Christian Müller, CEO InnoEnergy GermanyDr. Christian Müller ist Geschäftsführer von InnoEnergy Deutschland. Nach seinem Studium Chemieingenieurwesen und seiner Promotion über technische Thermodynamik arbeitete er als Leiter verschiedener Projekte in der Industrie sowie in unterschiedlichen Managementfunktionen bei der ehemaligen Hoechst AG, die später von der Siemens AG übernommen wurde. Neben der Vermarktung von Technologien und Dienstleistungen war er an Neugründungen von Unternehmen beteiligt. Er leitete zudem das global Center of Excellence für die chemische Industrie bei ABB. Seit 2013 ist er verantwortlich für die Aktivitäten von InnoEnergy in Deutschland in der Position des CEO, InnoEnergy Germany.

 

 

 


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Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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